BookRix

Eine interessante Idee, die eigene Geschichte in Abschnitte zu teilen und zu bewerten. Zu bewerten! So etwas wäre mir nie und nimmer eingefallen, nicht jetzt, nicht früher, nicht mittendrin. Natürlich stellt sich ab und zu die Frage, wie es heute wäre, wenn etwas nicht oder anders passiert wäre. Im Beruf, in der Liebe, mit der Gesundheit. Aber bewerten? Nein.

Deine Kurve erinnert mich an eine kürzlich veröffentlichte Statistik des Glücklichseins. In welchem Lebensabschnitt sind die Menschen am glücklichsten? Wie ein Pfeil schießt dieses Gefühl im späteren Alter (ab sechzig) nach oben, unübertroffen von allen vorherigen Lebensabschnitten, selbst dem, der am Anfang steht.
Das Kellertief liegt erstaunlicherweise in der Zeit, die gemeinhin das „beste Alter“ genannt wird. 30 bis 50. Liegt es daran, dass dies die zwanzig Jahre sind, in denen man in der Arena steht und sich tagtäglich am Leben reiben, man Federn lassen muss - der Altersabschnitt, aus dem die blaue Flecken und Narben stammen?

Interessant ist ebenfalls die „Einleitung“ in Deine „Bewertungskurve“. Du stellt biografisches Schreiben dem der Fantasie, der Fiktion gegenüber. Letzteres gelänge Dir nicht sonderlich, schreibst Du. Das Gelebte stecke zu sehr in Dir, als dass es Dich in die Erfindung entlassen könne.
Da gehen unsere Meinungen auseinander. Unter meine Geschichte „Das erste Wort“, die ich mit einem Zitat der franz. Autorin Amélie Nothomb beginne („Alles wird, sobald es gelebt ist, zur Fiktion“), schreibst Du: „Gelebtes wird Fiktion! Das kommt vor.“
Nein, es kommt nicht nur vor, quasi als Ausrutscher. Alles, was nicht mehr ist, muss – mit Bildern und Worten - neu erfunden werden. Das Erlebte gibt uns zwar den Stoff, aus dem die Erfindung gemacht ist, aber Erfindung bleibt/wird es allemal. Die äußerlichen Ähnlichkeiten mit dem, wie wir glauben, „authentisch Erlebten“ bestehen nur zum Schein. Mit diesem verhält sich wie mit dem Traum, den wir zu verstehen suchen. Das bildliche Geschehen in ihm ist der Zeigefinger, der eine Richtung zeigt. Nicht er, sondern sie, die Richtung, ist von Bedeutung. Sie gilt es, zu verstehen, wenn wir uns selbst näher kommen wollen.

„Non, je ne regrette rien“ – eine Sache gibt es, die ich bereue / bedauere: kein Musikinstrument (richtig) gelernt zu haben.
LG
Lothar

Bilanz ziehen - fällt das jemandem leichter, der Wirtschaftswissenschaft studiert hat? Sein Leben unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachten. Das Auf und Ab; ist es Konjunktur? Aufschwungphasen, Hochkonjunktur, Abschwungphasen - diesen Schwankungen mit persönlicher Konjunkturpolitik begegnen? Sind die Produktionskapazitäten richtig genutzt?

Du schreibst, dass durch die Wahl Deines Studienfaches Lebensgüter produziert wurden, die Dich nicht wirklich glücklich machten. Du hättest lieber Medizin studiert. Ist Zufriedenheit nur ein Nebenprodukt beruflichen Wirkens - wie wichtig ist dieser Faktor?

Schreiben und Malen - sich künstlerisch mit den problematischen Aspekten seines Lebens beschäftigen. Vielleicht hätte einem das geholfen, rechtzeitig auf Fehlentwicklungen auf der eigenen Lebensbahn zu reagieren?

Non, je ne regrette rien - nix bedauern. Eine Kunst.

LG
Phil Humor

http://www.youtube.com/watch?v=fFtGfyruroU

Liebe Helga,

deine Widmung "Diese Arbeit ist allen 'Problembären' unter uns gewidmet" ist für mich Satire in reinster Form: prägnant auf den Punkt gebracht, versehen mit dem nötigen Seitenhieb ...

Darüber hinaus überlege ich gerade, wie es dem Ersteller oder Benutzer solch einer Lebens-(Fieber-Börsen)-Kurve nach der Erstellung selbiger ergeht. Hat er einen "Aha"-Effekt oder eher den "Ohhh"-Effekt? Zeigt die Kurve ihm Neues, ihm noch nicht Bekanntes oder das, was er im Grunde eh' schon wußte?

Und was wäre gewesen, wäre die Kurve zu einem früheren Zeitpunkt erstellt worden, als die Pfeile nach unten zeigten und erst einmal kein Anstieg in Sicht war? Ständen dann dort Wörter wie: Depression, Alkoholismus, Suizid ...?

Nun ... so meine Gedanken zum Vorgefundenen ...

Liebe Grüße von Signe

Wie eindrucksvoll, diese schonungslose Betrachtung des verflossenen Lebens ! Ein solcher Umgang mit unserer persönlichen Vergangenheit ist jedoch die einzige Art, das Schlimme im Nachhinein zu entwaffnen, zu entgräten, zu entbittern, um schließlich an den Kern zu kommen, aus dem sich unser weiteres Leben nährt.
Helga: Welcher Mut !
Deine Schilderung gibt so manchem Leser und so mancher Leserin ein bisschen davon ab; ich habe mich selbst an manchen Punkten darin wiedergefunden, und diese Erkenntnis ist heilsam.
Danke !
Cecilia

Liebe Helga, ichi hatte Mühe, Dein Buch zu lesen. Ich habe mich jetzt aber vertraut damit gemacht. Ich habe halt eine lange Leitung, bis ich wieder etwas Neues kapiert habe.
Das Leben ist kein Wunschkonzert und das hast Du erfahren müssen. Du hast sehr offen über Dein Leben geschrieben. Aber wie sagt man " Ende gut, alles gut."
Ich hoffe, es bleibt so positiv, wie es jetzt ist. Die Kurve Deines Barometers geht auf jeden Fall nach oben.
Liebe Grüße Dora

Da die Kurve am Ende steil nach oben geht, resultiert ja auch mit auch aus den Situationen, wo das nicht der Fall war.
Wer noch mehr über dich und dein Leben wissen will- sollte von dir "Auf Sand gebaut" und auch die anderen lesen. Sind doch bloß 401 Bücher.
LG
Sweder

Liebe Helga, ich bewundere deine unheimliche Offenheit, andere Leute würden "Outing" dazu sagen. Ich selbst habe es auch nicht immer nur toll gehabt, wer hat das schon! Aber etwas ist in mir gewachsen, das auch deine Schilderung auszeichnet: Die Erkenntnis, dass zu viel Abhängigkeit sehr, sehr gefährlich sein kann. Blinder Gehorsam, Heldenverehrung, blauäugiges Vertrauen.......das alles kann zerstörend sein.

Ich will es mal so sagen: Ich habe einen Sensor in mir entwickelt, der alles, was an mich herankommt, mit den vergangenen Erfahrungen prüft und vergleicht. Ich selber entscheide danach, was Sache ist oder nicht. So fahre ich nicht auf jeden Bocksmist ab und habe eine gewisse Gewähr für Stabilität und Ruhe in meinem Leben. Es gelingt nicht immer, aber immer öfter. Vielen Zeitgenossen bleibt diese Erkenntnis verwehrt, weil sie ein Leben lang nicht gelernt habe, sich selbst zu reflektieren.

Das mal meine Gedanken zu deinen Ausführungen.

LG johannespi