sehr schöne Erzählung und auch toll geschrieben, gefällt mir sehr
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Die kalten Winde trieben die Menschen vor ihm schneller über den Bahnhofsplatz und in die Halle des Hauptbahnhofs und der Kaufmann, etwa 25-jährig, eilte an diesem Novembertag ebenso schnell hinein und gelangte dann zu einem der Ticketschalter nahe einiger Cafés und Restaurants. Er wählte den Ort, der etwa 70 Kilometer entfernt zu dieser Großstadt lag, und warf soeben die ersten zwei Zwei-Euro-Münzen in den Ticketautomaten, in der vollen und von der späten Herbstkälte durchzogenen Halle des Hannoveraner Hauptbahnhofs, als er die Stimme eines alten Mannes vernahm. Es war ein kleiner, europäisch und orientalisch zugleich aussehender Mann mit einer Mütze, wie ihn Anhänger der europäischen, demokratischen Republik und des Laizismus in der Türkei stolz tragen, und der Statur eines Gewichthebers.
„Lass den Automaten. Fahr heute mit diesem Ticket, es bringt einen fast überall hin in der Republik."
Er erwiderte noch nichts.
Er verstand nicht. Er drehte sich vom Ticketautomaten, an dem die Streckenkosten für die Fahrt aufleuchteten: 2. Klasse, Regionalzug, Deutscher Bahn-Tarif, zum kleinwüchsigen Mann mit der Gestalt eines Gewichthebers und dem klugen Angebot.
"Fahr mit diesem Ticket, es bringt einen überall hin."
Er sagte noch nichts.
"Willst du einen älteren Menschen und dessen Anliegen auf der Reise beleidigen?"
Der Jüngere wollte es ausschlagen, aber der Anblick des alten, aber heiteren Gesichtes verwunderte ihn und dann hörte er schon beim Besprechen der Reiseziele mit der Bundesbahn:
„Komm doch, komm, das wird dich fast überall hin in der Republik hinbringen und das bei einem Gespräch zu Gewerkschaften und den Siegen der freien Republik, aber das erzähle ich dir gleich“, sagte der alte Mann mit der Republiksmütze und lotse ihn schon wie ein Bahnangestellter zum Bahnsteig. Er nahm bald seine graue Schirmmütze ab.
Er wusste es nicht gleich einzuschätzen, vielleicht war er nicht ganz in Ordnung, aber lehnte es nicht sofort ab.
"Ich fahre nicht sehr oft, der Automat ist doch --"
„Komm schon. Ich bringe dich, wohin du willst – mit meinem Jahresticket.“
„Ist es für zwei Personen geeignet?“
„Natürlich. Komm.“
Er nannte ihm das Reiseziel. Der Jüngere wollte ihn nicht angehen oder jetzt heruntermachen und mit einer Ablehnung die Möglichkeiten des Alten ins Lächerliche ziehen oder dessen Reisepläne an diesem Tag vernichten. Dennoch reagierte er noch zurückhaltend und schlug ihm einen Kaffee am Laden mit den Zeitungen, belegten Brötchen vor, nahe der Treppen, aber es blieb keine Zeit. Der ältere Mann wollte schon hinauf zu den Gleisen. Die exakten Abfahrtzeiten seien zu beachten, sagte er. Er nahm sein Geld und ging vorüber an dem nach Brot und Kaffee riechenden Laden. Bald eilte er neben dem fast kahlköpfigen Mann, mit den braunen Augen, der kräftigen Nase, der Statur eines Gewichthebers und der wieder aufgesetzten Republiksmütze hinauf. Der Mantel des Mannes flatterte durch das zügige Tempo und sie gelangten über die Rollbahn hinauf zu den Gleisen. Es war kalt und verregnet, er zog zwei Zigaretten hervor, wenigstens dann hier oben an den Gleisen gab es einen Kaffee und Zigaretten gegen die Kälte. Diese deutsche Stadt war kühl und ebenso reich und sehenswert, aber es war an diesem Tag sehr kalt, zumeist grau der Himmel und verregnet in dieser Zeit. Es war eine kleine Übereinkunft und ein schneller Dank für die Fahrt neben dem Mann mit dem Gewichtheberprofil und Schmugglerlächeln im Regionalzug in die Peripherie des Landes, ohne Ticket.
Die beiden Männer lasen dann von der kurzen Verspätung des Zuges, so tranken sie oben am Gleis den heißen Kaffee, den der Jüngere bei einem kleineren Stand kaufte. Aber in der Novemberkälte und zwischen den sich sammelnden Menschen und Bahnsteigen der Großstadt und Gebäuden mit den dortigen Unternehmen und einem Blick in den grauweißen Himmel war es ein guter Kaffee. Als der Zug etwas später einrollte, Tauben von den Schienen in den Himmel flogen, stiegen sie endlich in den Doppelstockzug. (...)
sehr schöne Erzählung und auch toll geschrieben, gefällt mir sehr