Eine junge Frau, vielleicht Mitte dreißig, sie war mir vorgestellt worden, saß einige Tische weiter mir gegenüber. Ich meinte, sie gehörte zur Verwandtschaft des Bräutigams, aber selbst dessen war ich mir nicht mehr sicher, geschweige denn, dass ich ihren Namen behalten hätte. Bei der Vorstellung war sie mir gar nicht aufgefallen, aber jetzt sah ich sie eben öfter, und da hob sie sich schon ein wenig ab von den vielen Hinterköpfen und Allerweltsgesichtern, die ich sah. Sie war keine Schönheit, wie man sie in Katalogen mit Gesichtern von Models gefunden hätte, aber ihr ein wenig längliches Gesicht mit den markanten Zügen reizte mich schon zum Hinschauen. Der Farbton ihrer mittel- bis hellblonden Haare schien wie extra für dieses Gesicht kreiert. Bei ihrer leicht sturmverwehten Frisur schien es sich allerdings nicht um einen Urzustand, sondern wohl eher um ein Kunstwerk eines Meisters der Friseurinnung zu handeln. Sie war sicher eine Schönheit vom Lande. Nein, nein, das passte nicht. Ihr Gesicht strahlte nicht die Weichheit und Milde eines unverdorbenen Bauernkindes aus, dem vielleicht noch die Sommersprossen gefehlt hätten. Sowohl ihre markanten Züge, als auch ihr scharfer Blick ließen sie zusammen mit ihrem relativ breiten Mund, den sie manchmal zu einem süffisanten Lächeln verzog, eher als eine intellektuelle Frau erscheinen, vielleicht mit früheren ländlichen Vorfahren. Meine Vorfahren schienen aus geistig dunklen Regionen zu stammen, zumindest nach dem, was sie mir vererbt hatten. Ich saß, hier wenige Schritte von dieser Frau entfernt, und rätselte aus der Ferne über ihre Identität. Warum stand ich nicht auf und fragte sie oder forderte sie zum Tanzen auf?