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Leseprobe

Die Atlantis Protokolle

gesammelt von Oma Rocca

 

Mappe 1

Toth - Und lebendig!

 

© 2017 by Jimi Wunderlich, Die Wunderlich(e) Edition

Titel: Jimi Wunderlich

 

 

Die Rubriken:

A = Jahwe, Satan & Yog Sothoth

B = Isch

C = Toth

D = Das Atlantis Institut

(E = ab Band II)

(F = ab Band II)

(G = ab Band III)

(H = ab Band IV)

I = Ausführungen zu Technik und Physik

J = Was ist Geschichte?

 

 

PROLOG

 

Opi Wan, Kai Gon und Anna Kin hatten gerade eine neue Runde bestellt, als Oma Rocca völlig aufgelöst in die Bar ‚Bra‘ stürmte. Sie hatte sich gerade mit Joe Daah in die Haare bekommen und konnte – oder wollte – sich nicht beruhigen. Sie schnappte sich das Glas von Opi Wan und schüttete es ex in sich rein, und wollte sich schon das nächste greifen. Doch Anna Kin kam ihr zuvor. In diesem Moment brach alles aus ihr heraus. Joe Daah hatte sie zu sich gerufen, um ihr – wie er sagte – die verrückteste Geschichte aller Zeiten und Universen zu erzählen. Und das Allerwitzigste daran wäre: Diese sei die volle Wahrheit!

Oma Rocca konnte am Ende nicht darüber lachen. So wütend wie im Augenblick hatten sie die Drei bisher nie erlebt, und sie liess sich nicht beruhigen. Joe Daah hatte ihr eröffnet, dass es nun an der Zeit wäre, dass sie erfuhr, wie all die Welten, Universen, Kosmen, Alle, Welträume und so entstanden waren, woher sie eigentlich kam und welche Rolle sie dabei gespielt hatte.

„Und ihr habt dies alles gewusst! Und mir nie davon erzählt!“

„Wir gehören ebenfalls in diese Geschichte. Du spielst nur eine Hauptrolle“, versuchte Opi Wan sie zu stoppen. „Wir können doch nichts dafür.“

„Und ob! Ohne uns würde es euch nicht geben.“

„Nun halt mal die Luft an! Nur weil Joe Daah dir erzählt hat, dass du und dein Mann Ab Zu Raum und Zeit geschaffen habt und ihr der Grund seid, dass wir hier sind, musst du uns nicht beschimpfen. Im Grunde hättest Du es ohne uns nie geschafft...“

„Wie denn? Ohne Raum und Zeit würde es uns nicht geben, und die haben wir geschaffen. Und dies rückwirkend. Im Grunde dürfte es nicht einmal uns geben ohne uns. Begreife das, wer will. Genau betrachtet, haben wir uns selbst erschaffen. Wie funktioniert so etwas? In dem Fall ist selbst die Frage nach dem Huhn und dem Ei völlig sinnlos. Das Huhn hat sich selbst gebastelt, oder was? Kann es aber nicht. Weil es sich selbst dafür bräuchte, um sich ein Huhn zu bauen. Und das alles ohne Hände, das Ei spielt keine Rolle...“

„Ganz so verrückt ist es nicht. Du bist lange genug hier, um zu wissen, dass praktisch alles möglich ist, wenn man mit Zeit und Raum spielen kann“, warf Kai Gon ein...

„Ja, mache mich jetzt noch richtig irre. Joe Daah hat das bisher nicht geschafft. Vor allem, wenn ich das Abi erzähle, flippt der mir völlig aus. Der zerreisst mich in der Luft und baut weitere Welten aus meinen Teilen... He, kannst du mir noch vier Gläser von diesem Nektar bringen? ... Wollt ihr auch was?“

„Nee, nee! Wir haben genug, gebe nur Opi seins zurück... Und halte jetzt mal die Luft an! Du willst uns doch nicht sagen, dass ihr von all dem keine Ahnung hattet? Du kannst uns nicht erzählen, dass ihr bisher an die Kontinuität der Zeit geglaubt habt und nicht den kleinsten Verdacht hattet, dass nicht alles normal abgelaufen ist. Habt ihr nicht genug verrückte Sachen erlebt? Hier ist alles möglich. Wir müssen nur wollen. Und ihr habt gewollt.“

„Ja, ja, du hast ja Recht. Es ist halt alles viel verrückter als ich es mir ausgemalt hatte. Begreifen tue ich es trotzdem nicht. Wie auch? Habt ihr es etwa begriffen?“

„Naja“, warf Opi Wan ein, „das geht eigentlich garnicht. So verrückt wie unser aller Leben können kein Raum und keine Zeit sein. Deren Möglichkeiten sind es aber, und es macht einen Riesenspass, diese auszuprobieren. Ihr Beide seid halt zufällig mit reingeraten. Joe Daah ist der einzige von uns, der klug genug war, dies alles zu begreifen – ausser euch. Obwohl er erst später in diese Geschichte gekommen ist, hatte er ausreichend Zeit zum Nachdenken. Wir sechse waren halt als Erste da. Alle Anderen kamen später. Wegen euch... Versuche mal, alles aufzuschreiben. Das hilft beim Verstehen.“

„Ich kann nicht schreiben, habe ich noch nie versucht.“

„Ist doch bloss für dich, wir anderen wissen Bescheid. Schnapp dir einfach die Atlantis Protokolle, wenn Joe Daah mal nicht da ist. Und sortiere diese. Du schaffst das schon...“

„Tut nicht so, als ob ihr nicht alle Zeiten der Welten habt“, die Kellnerin lachte und stellte die vier Gläser auf den Tisch.

Oma Rocca widersprach: „Die ganze Geschichte ist viel zu verschachtelt. Alles passierte zur selben Zeit und doch nacheinander. Alles hängt mit allem zusammen. Wo soll ich da anfangen? Wie soll ich die Zusammenhänge herstellen? Und wie zu einem Ende kommen? Was ist das Ende?“

„Fange erst mal an. Vielleicht mit dem dauernden Pokerspielen von Jahwe und seinen Brüdern. Wäre ein guter Einstieg. Oder nimm Joe Daahs Sortiersystem. Du wirst merken, alles entwickelt sich irgendwann ganz von alleine in die richtige Richtung...“

„Das wird doch eine ewig lange Geschichte. Wenn ich die überhaupt irgendwann mal zu Ende kriege. Abi rastet mir aus, wenn ich ständig am Schreiben bin und mich nicht mehr um ihn kümmere.“

„Hättest ihn halt nicht so verwöhnen dürfen.“

„Das hat er selbst gemacht... Ich werd’s mal versuchen... Gibt es etwas Neues? Was macht Darth Mocca? Immer noch nicht alt genug um nicht mehr älter zu werden? Andere sollten mal nachziehen. Ich will endlich auf mehr neue Leute treffen.“

„Es geht den Menschen wie den Leuten. Was sind wir eigentlich? Hat da mal einer drüber nachgedacht? Wir sind weder das Eine noch das Andere. Zumindest jetzt nicht mehr.“ Anna Kin kratzte sich am Kopf. Auch sie würde gerne mal wieder auf neue Leute stossen. Immer wieder die Selben zu treffen, macht auf Dauer keinen Spass. Vor allem, wenn man praktisch unsterblich war.

„Ach was, lass uns noch eine Runde bestellen. Heute kommen wir hier nicht so schnell raus. Der Weg nach Hause wird schlimm.“ Opi Wan zeigte der Kellnerin seine vier Finger und diese nickte lächelnd...

 

 

Mappe I: Toth - Und lebendig!

A. Die Pokerrunde

Ein Gott würfelt nicht, er ist ein verdammter Zocker. Für einen heissen Poker vergisst er alles, sogar die Universen, die er sich erdacht hat. Die Lebewesen dort beten ihn an, aber er hört sie nicht. Und während er den nächsten Bluff ausheckt, bilden sich unzählige neue Universen. Alles, was man sich denken kann, passiert! In einem neuen Universum! Immer und immer wieder! Die Zeit splittet sich, bildet neue Räume, neue Dimensionen. Alle von uns sehen es, doch Jahwe - wie dieser Gott genannt werden wollte -, Yog Sothoth und Satan blicken nur auf ihre Karten. Jeder der Drei glaubt das Blatt der Blätter zu haben und haut die Einsätze in den Pott, immer mehr und immer mehr, alles vergessend, nichts mehr fühlend, nur an den großen Gewinn denkend. Ein Universum nach dem anderen geht den Bach runter - Hitler wird bester Friseur Deutschlands, Napoleon gewinnt die Schlacht vor Moskau, Aleister Crowley fällt durch die Aufnahmeprüfung des OTO. Yog Sothoth steigt als erster aus - mit einem Royal Flash auf der Hand. Er hat alles gesetzt, kann nicht einmal mehr seine Zeche zahlen. Ab in den Turm. John Dee wird an dich denken. Satan behält nur das Feuer für sich und trickst Jahwe damit aus, schenkt Adam einen Apfel und Gott schickt ihn dafür zur Hölle. Alles gerät ausser Kontrolle, das Chaos regiert. Nicht einmal dieser Gott und seine Engel bekommen ihre Universen in den Griff, inzwischen sind es zuviele. Lediglich Yog Sothoth hat aufgepasst. Nur er weiss, wie es weiter gehen kann. Er ist das Tor. Er kennt den Weg, den Spruch. Doch erst müssen die Sterne wieder richtig stehen. So sitzt er weiter im Turm, ausserhalb von Zeit und Raum. Selbst wir können nicht mit ihm reden, Jahwe will es nicht. Er hat ihn verdammt und Satan schreit. Doch er hört ihn nicht. Er sucht bereits jemanden mit ausreichend Orkhs, um eine neue Partie Poker zu starten. Was interessieren ihn die ausser Kontrolle geratenen Universen? Sollen sich doch die Menschen, Engel, Tokker, Harpyien, oder wie sie sonst alle heissen, selbst helfen. Begreifen werden sie ihre Universen nie. Und Jahwe ist nicht zu sprechen. Warum auch? Selbst er ist nicht völlig frei, unterliegt den Gesetzen des Wetraumes. Er kann die Physik nicht ausser Kraft setzen. Die Entropie nimmt zu, wir können dies nicht ändern, niemand von uns ist stark genug dafür. Wer hat schon ausreichend Phantasie, um mit deren negativer Entropie die chaotische Entwicklung im Weltraum zu bremsen? Jahwe programmierte uns mit einem Bedürfnis für die Wahrheit, doch Wahrheit ist ein Mangel an Phantasie. Er wusste genau, was er tat, als er die Universen erschuf. Jetzt müssen wir warten, bis sich das Chaos wieder ordnet.

Werfe lange genug deinen Müll auf Nachbars Grundstück, und du wirst sehen: Eines Tages steht auf diesem Haufen ein Hubschrauber. Der fliegt sogar, wenn du es möchtest. Werfe deinen Müll noch länger über den Zaun - und du erschaffst das beste Raumschiff des Universums. Davor bewahre uns Jahwe. Er gab dir nicht ausreichend Zeit. Nur er und eine handvoll Auserwählte haben ausreichend davon, um Universen nach dem Müllprinzip zu entwerfen. Dabei haben sie noch Zeit für den nächsten Poker. Jedes Universum ist ihre Art von Müll, mal ist es kleiner, mal grösser, mal umweltfreundlich, mal haut es ein Loch in die Ozonschicht. Was soll's? Hauptsache es liegt genügend Kohle im Pott. So bleibt das Spiel spannend. Wen interessiert da die Wahrheit? Eine gute Lüge und die anderen Spieler zahlen. Nur das Nichts währt ewig. Selbst die Realität besteht aus dem Nichts. Nimm ein Teil, egal wie groß, nimm zwei Universen, oder drei, von mir auch einen Kosmos, oder gleich fünf davon. Teile sie, und teile sie, mache dies lange genug und du wirst feststellen, du hast alles solange zerschnitten - bis Nichts mehr übrig war. Und genau daraus besteht alles: aus dem Nichts.

Glücklicherweise hat hier Jahwe vorgesorgt - er lässt dir nicht ausreichend Zeit, um dies zu probieren. Denn auf diese Art wärest du genauso schlau wie er. Du wüsstest, dass Nichts die Grundlage von allem ist, und damit niemand die Arbeit des anderen solange fortsetzen kann, bis er dies herausfindet, hat er die Zeit begrenzt. Jedes Universum hat sein Limit. Er ballt das Nichts stark genug zusammen, damit aus diesem Materie entsteht. Er gibt ihm eine Handvoll Informationen mit auf den Weg, damit es weiss, was einmal werden soll. Er begrenzt die Energie, und die Energie bestimmt die Lebenszeit der Materie. Er wandelt Energie in Materie und sorgt dafür, daß dieses Stückchen bestrebt ist, die gespeicherte Energie wieder abzugeben. Wenn der energetische Status Null ist, ist die Materie weg. Nix mehr da, um es anzufassen. Egal wie groß das Stück Materie ist, irgendwann hat es all seine Energie verbraten. Ein Universum braucht dazu eben etwas länger als ein Molekügelchen. Für Jahwe und seine Freunde spielt das keine Rolle. Er hat Zeit bis zum Getno. Selbst wir kamen erst, als Jahwe bereits da war, und sicher wird er noch das Chaos dirigieren, wenn wir uns schon lange verabschiedet haben.

Vielleicht gibt es jemanden, der sich Jahwe ausgedacht hat und schnell mal sein Fäustchen geballt hat, um ausreichend Energie zu bündeln, damit dieser Gott entstehen konnte – in diesem Fall hätte selbst Jahwe nur einen begrenzten Zeitraum zum Leben. Er wäre nur Handlanger für einen, der in einem noch grösserem Raum existiert als er. Dieser jemand wäre noch fauler als ein Gott. Weil er überlässt es einem Gott oder wer weiss was Jahwe nun wirklich ist, die Universen zu erschaffen. Irgendjemand muss dies übernehmen. Die entstehen sicher nicht von alleine. Und ein Gott würfelt nicht, der pokert, und zum Pokern gehört neben etwas Glück und viel Geld auch Talent, um gehörig an der Uhr zu drehen. Alle anderen am Tisch müssen nach einer gewissen Zeit davon überzeugt sein, dass man das Blatt der Blätter auf der Hand hat. So sind sie bereit, ihre Kohle auszugeben. Wissen sie das von Anfang an, legen sie nichts in den Pott. Kannst du sie nicht überzeugen, nehmen sie dich aus. Das Leben ist hart, der Poker ist härter. Schaue immer so in die Runde, als könntest du kein Wässerchen trüben und rede deinen Mitspielern tausend Kinder in den Bauch, dann wirst du als reicher Mann nach Hause gehen. Dabei hast du das Glück, dass deine Zeit sich lediglich in eine Richtung bewegt. In deinem Universum hat ein Jahwe das Nichts so organisiert, dass es dir nur unter Aufbietung aller Reserven gelingen dürfte, die Zeit in eine andere Richtung zu zwingen. Du musst das Energielimit in deinem Stückchen Materie überwinden, damit du aus deiner beschränkten Existenz heraus kannst und die Zeit überlistest. Spielst du mit ihm, wird es schwieriger für dich - für Jahwe spielt Zeit keine Rolle. Er kann sich in ihr bewegen, wie du in deiner Wohnung. Er kann nach vorne gehen, kann nach hinten, nach oben oder unten. Ist ihm egal. Wenn du die Karten mischst, weiss er schon, wieviel Geld auf dem Tisch liegen wird. Deshalb hast du keine Chance bei ihm. Lediglich Satan oder Yog Sothoth haben die gleichen Möglichkeiten. Sie sind in der Lage, den Lauf der Dinge immer wieder zu ändern, so dass selbst Jahwe am Ende nicht mehr weiss, was war und was sein wird. Sie können das Chaos dirigieren, Jahwe kann es organisieren. Satan bringt alles durcheinander, Gott versucht, alles an seinen Platz zu rücken, und Yog Sothoth sitzt im Turm und wartet auf seine Chance. Dabei achten alle drei beständig darauf, dass niemand kommt und ihnen auf die Finger sehen kann. Sie geben niemandem eine Chance, nur sie sind in der Lage Raum und Zeit zu begrenzen, weil diese für sie unendlich sind. Lediglich mit uns haben sie nicht gerechnet. Wir haben sie ausgetrickst, wir haben nicht versucht, unsere Zeit zu ändern - das wäre logisch gewesen. Alle Lebewesen glauben dies: die Vergangenheit bestimmt die Zukunft. Uns interessiert die Vergangenheit nicht - was vorbei ist, ist vorbei. Unsere Zeit ist damit begrenzt, weil rückwärts ist nichts.

Wir schauen auf unsere Bäuche - die Zukunft bestimmt die Vergangenheit, und da diese bereits vorbei ist, interessiert uns selbst die Zukunft nicht. Die Gegenwart ist wichtig - wenn wir die Zukunft verändern, verändern wir die Vergangenheit. Dann würden die Drei aufwachen. Weil: der Raum und die Zeit verändern sich. Und wer mag in einem Raumgefüge leben, das sich beständig ändert. Das wäre geradewegs so, als ob man immer und ewig mit einem Erdbeben leben wollte. Also haben die Drei dafür gesorgt, daß die Schwingungen des Raum-Zeit-Gefüges immer begrenzt bleiben und nur in eine Richtung gehen. Sowas nennt man Entropie. Und Phantasie ist negative Entropie. Wer sich viele Geschichten ausdenkt, zerstört das gewohnte Gefüge, und Jahwe, Satan und selbst Yog Sothoth werden wach. Sie sorgen dafür, dass es immer jemanden gibt, der dich in die Anstalt steckt. Zuviel Phantasie ist schädlich für das Gefüge. Egal ob im Großen oder im Kleinen. Ob ein Universum oder eine Welt oder vielleicht sogar bloss ein Atom: Alles arbeitet nach den gleichen Gesetzen.

Wer viel Phantasie hat, ist immer klüger als die mit weniger. Er kann sich so einiges denken, erkennt viel schneller, falls einmal etwas anders läuft als erklärt. Solche Lebewesen sind den Beherrschenden immer suspekt. Ein Alpha-Männchen wird immer ein Tier mit mehr Phantasie aus der Herde drängen, eine phantasievolle Zivilisation ist in der Lage den Galleriden die Beine wegzuhauen, und ein kluges Universum bringt Jahwe völlig aus dem Konzept. Dann lässt sogar er beim Pokern Federn, er kann sich nicht konzentrieren und Satan ist in der Lage, ihm Zeitströme ohne Ende vorzugaukeln. Jahwe weiss am Ende nicht mehr, welche Karten er hat. Oder sind das vielleicht sogar Satans Karten, die er gerade sieht. Kein Wunder, dass Satan überall rumrennt und Phantasie kübelweise verteilt. Selbst wenn er sich damit die eigenen Beine weghaut. Nur so hat er eine reelle Chance, Jahwe beim Pokern über den Tisch zu ziehen. Yog Sothoth hat dies zu spät begriffen. Deshalb sitzt er im Turm, und weil Zeit für die drei keine Bedeutung hat, sie lediglich eine Koordinate ist, haben Jahwe und Satan noch nicht bemerkt, dass er im Turm sitzt. Immer wieder drehen sie an der Uhr und so ist es mal vor dem Turmgang, mal danach. Yog Sothoth ist halt jemand, der nur hin und wieder mitzockt. Da er ein ziemlich ungemütlicher Zeitgenosse ist, mag dies sogar ganz gut sein. Für die beiden Anderen hat es den Anschein, als hänge er in einer Ecke des Zeitraumes fest und sei viel zu faul aus dieser herauszukommen. Er ist ein Loser, immer und immer wieder verliert er beim Poker, muss in den Schuldturm, auch wenn Satan und Jahwe ihre Kohle so nicht wiederbekommen. Jahwe ist ein Sado, dem es Vergnügen bereitet, andere leiden zu sehen. Dies ist ihm eine Menge Orkhs wert. Und so sitzt Yog Sothoth von allen guten Geistern verlassen im Turm, nur selten erinnert sich jemand an ihn, in seiner Ecke und in deren Nähe. Sonst sieht ihn niemand - aus dem Auge, aus dem Sinn.

Wer ist Yog Sothoth überhaupt? Ausser ein paar wilden Pokerrunden hat er kaum etwas zustande gebracht. Jahwe und Satan gaben ihm keine Zeit dafür. Er erfand das große Biest und John Dee. Nur diesen Beiden ist es zu verdanken, dass es zumindest einige Universen gibt, die auf ihn warten, um endlich aus dem Knick zu kommen. Was soll's? Dieser Kosmos ist dazu verdammt, irgendwann einmal den Abfluss runterzugehen. Mit einem Gott, der ständig an den nächsten Poker denkt, ist kein Universum zu machen. Dem geht es am Ende lediglich darum, so viel wie möglich Statthalter einzusetzen, die ihm die Arbeit abnehmen. Die bekommen alle Vollmachten, dürfen sogar ihren Schäfchen erklären, was dieser Gott denkt, selbst wenn der ganz andere Vorstellungen davon hat...

B. Wer ist Isch?

Hey! Habe ich mich bereits vorgestellt? Wahrscheinlich kennen sie mich sowieso nicht. Namen sind nicht wichtig. Was man tat, interessiert nicht. Sollte es zumindest nicht. Was vergangen ist, wird durch das Künftige bestimmt. Welche Bedeutung hat da ein Name? Ich bin, und wer ich war, spielt keine Rolle. Wer ich sein werde, will ich nicht wissen. Da geht der ganze Spass verloren. Wer ich bin, weiss ich, aber nicht du, und ich weiss nicht, wer du bist. Oder warst... Schon gar nicht, wer du sein wirst. Also erzähle mir nichts über andere. Kennst du die Zukunft, erkennst du die Vergangenheit. Vergiss alles, was nicht war. Und das, was sein wird. Deine Gegenwart bezeugt, dass du sein wirst. Niemand kann heute essen, was er morgen kauft. Das Gestern haben alle verdaut. Ist Kunst der Tod? Oder ist der Tod eine Kunst? Für Tim war er ein Happening, für andere unausweichlich. Wie die Gegenwart. Der müssen wir uns stellen, und da hilft nicht der Salat von gestern. Den haben die Raupen gefressen. Einzig der Wunsch, morgen keinen Salat zu essen, treibt uns vorwärts, zur ewigen Gegenwart. So fällt die Seele nicht auf, und die Phantasie kann sich entfalten - ohne etwas zu verändern. Es passiert immer, was passieren muss. Jedes neue Kind verkürzt die Lebensdauer des Universums. Es entzieht ihm die Energie. Neue Materie entsteht. Ein Perpetuum Mobile konnte selbst Yog Sothoth in seinem Turm nicht erfinden. Und er hatte alle (oder keine) Zeit der Welt zur Verfügung. Energie, Materie, weniger Energie, die Kraft reicht nicht ewig. Nur die Information bleibt. Sein oder Nicht-Sein, dass ist die Information. Manchmal ist es ein vielleicht. Das ergibt zwei Universen, und schon hat sich die Energie des Kosmos aufgeteilt. Vielleicht, vielleicht, vielleicht...

Das ist ein schnelles Ende. Computer verlängern das Überleben. Sie kennen kein vielleicht, und sollte man sie dazu zwingen, es zu verstehen, verstehen wir sie nicht mehr. Sie rechnen, und rechnen, und am Ende hängen sie sich auf. Dafür haben sie Kabel. Immer hängen wir da mit dran. Selbst Jahwe hat einen. Satan ist einer. Das war sein Trick. Jahwe kann lediglich erkennen, was sein könnte. Satan lässt anderes entstehen. Jahwe freut dies. Endlich ist das Jetzt spannend. Er weiss nicht mehr, er vermutet nur. Dadurch bleibt der Poker für ihn interessant. Selbst Satan muss sich darauf einlassen. Wenn er im Vielleicht bleibt, kann er gewinnen, muss es aber nicht. Es liegt bei ihm. Für Beide ist immer Gegenwart, nie Vergangenheit oder Zukunft. So können sie den Kosmos erhalten. Universen kommen und gehen, der Kosmos bleibt, und damit sie. Sie haben die Unendlichkeit erfunden. Es ist zwar kein Perpetuum Mobile, doch es funktioniert ewig. Kein Ende in Sicht, kein Anfang. Alles bleibt wie es ist – und ändert sich beständig. Nur sie bemerken es nicht. Sie gehören in kein Universum, doch alle kennen sie. Mal Ying, mal Yang. Mal gut, mal böse. Mal Yog, mal Sothoth. Der sitzt im Turm. Tausend mal ja. Immer und ewig. Alles ohne Hemd, das gewann Jahwe. Aber er friert nicht. Er empfindet weder Kälte noch Wärme. Den Wind spürt er, der durch die Ritzen pfeift. Manchmal pfeift er zurück. Leute wie John Dee hörten ihn. Und die Menschen, die Craft zur Liebe kennen. Diese jedoch sind selten. Da sind immer Jahrhunderte zwischen ihnen. Zu wenige, um die Mauern zu sprengen. Ihr Atem reicht nicht aus. Man müsste den Turm verrücken, in eine Ecke in der Zeit. Aber: Der Turm steht ausserhalb von Zeit und Raum. Da bedarf es unendlicher Liebe. So kann man den Zeitraum und die Raumzeit ausdehnen, um den Turm herum. Dann öffnet sich die Tür und Yog Sothoth kann hinaus, wieder zur Pokerrunde, um sein Hemd zurückzugewinnen. Plus vielleicht einige Orkhs für ein gutes Mahl. Doch für ihn vergeht die Zeit nicht. Nichts wird verdaut, keine Energie geht verloren. Aber der Wunsch nach Luxus ist da...

Warum verwirklichen? Die Gegenwart hört nie auf, begann nie, endet nie. Die Gegenwart ist immer gegenwärtig. In jedem Augenblick seines, unseres Seins. Und dort ist sie wieder, die Frage nach der Information. Wer hört sie? Jahwe ist nicht interessiert, Satan ebenfalls. Yog Sothoth kann niemandem antworten. Er versteht, niemand hört zu. Die Mauern, die kann, darf er nicht durchdringen. Lediglich sein Pfeifen trägt eine Ahnung mit sich. Sein Wissen ist gross, treibt jeden in den Wahnsinn. Wer tanzt nach seiner Pfeife? Er weiss, und niemand kann es erfassen. Eine Sprache kann es ausdrücken. Die wurde jedoch vergessen. Zähle deine Finger, und du weisst, wieviele Lebewesen sich an seinen Namen erinnern. Vergiss die Zeiten, vergiss die Räume und du wirst Yog Sothoth pfeifen hören. Jetzt keine Lehren, keine Lehrer. Davon gibt es genug, selbst wir können irren. Auch Jahwe, und Satan, und Yog Sothoth, vielleicht sogar Isch. Wieder vielleicht. Ein weiterer Computer hängt sich auf. Zieh den Stecker, lös das Kabel. Da ist eine Chance, dass er überlebt. Dafür haben sie die Reset-Taste. Stelle ihn zurück und alles fängt wieder an. Doch die Information ist verloren. Was wusste der Computer? Was wussten wir? Was entdeckte er? Woran dachte sie? Ist es das Wir? Oder das Ihr? Henoch drückt es aus, aber Namen interessieren nicht. Das war gestern. Morgen ist anders. Heute sind wir, morgen ihr. Das Gestern vergass uns. Lasst uns Pokern! Der Royal Flash liegt in der Zeit. Spiele lange genug, und du wirst ihn finden. Poker ist Chaos. Selbst Satan hat ihn, und hat ihn nicht. Wir sehen ihn, und doch ist er nicht da. Milliarden Möglichkeiten, alle liegen um uns. Alle gewinnen, jeder verliert. Nichts ändert sich. Der Augenblick währt ewig. Die Vergangenheit ist gerade vorbei, die Zukunft beginnt nachher. Es wird ewig so bleiben. Nie erreichen wir die Zukunft. Immer beginnt sie erst nachher, immer ist etwas gerade vorbei. Wozu Erinnerung, warum planen? Es war, was sein sollte, und es wird, was sein soll. Das Universum weiss es. Der Kosmos sowieso. Jedes Teilchen kennt dich. Aber wir verstehen nicht. Wir könnten es sehen, das wäre Wahnsinn. Henoch versteht es am besten. Er kannte die Sprache, kennt sie, und wird sie kennen. John Dee traf ihn, Crowley sprach zu ihm, und die craftige Liebe wusste von ihm. Toth will es uns zeigen. Schau auf seine Karten. Suche nach ihrem Ursprung. Höre auf das Pfeifen. Das Genie ist wahnsinnig, der Wahnsinnige genial. Alle irren, das Individuum hat recht, und Toth sucht Henoch. Der eine pfeift auf seinem letzten Loch, der Andere sucht es, der Letzte ist es. John Dee schreibt es auf, niemand versteht es. Viele werden es lesen, verstehen wird ihn niemand. Nur der Sohn bewahrt das Geheimnis und die Witwe ist der Schlüssel. Der Schwan wird ihn verlieren, oder verlieren wir den Schwan. Sagen nicht die richtigen Worte und der König wird verbluten. Die Linie währt ewig. Dee weiss es, auch Crowley und Cagliostro. Den sieht man nicht, er hat den Ring. Auch der Baron.

Die Wahrheit wird zur Lüge, sie ist unglaublich. Die Lüge wird wahr, die akzeptieren wir. Die Türme stürzen ein. Nur einer nicht. Dort ist Yog Sothoth. Er wusste es. Toth erklärt es Crowley. Der malt es. Wir spielen damit. Doch Toth ist nicht mit uns. Deshalb denkt sich jeder seinen Teil. Gleiche Karten, viele Geschichten, und da ist ein Lauscher hinter der Wand. Der sieht die Bilder nicht, hört lediglich die Geschichten. Crowley kennt die Bilder, hat aber keine Geschichte. Toth trifft ihn und gibt ihm das Wissen. Crowley ahnt es, Aton erklärt es. Beide geben es weiter, an die Menschen. Die sind linear, glauben an verschiedene Zeiten, und lieben den Sex. Sogar Crowley glaubte daran. Das ist eine andere Geschichte. Immer sind die Geschichten anders. Alle sind wahr, alle sind unglaublich, alle bezeichnen sie als Lügen. Deshalb glauben sie an das Falsche. Sehen nicht die Fragen hinter den Antworten. Jede Antwort gebiert neue Fragen. Man sollte den Antworten alle Fragen abschlagen. Dann wird man die Antwort auf alle Antworten finden. Zeit ist irrelevant, Raum ist irrelevant, Antworten sind irrelevant. Die Information steckt in der Frage, und die Information hält den Weltraum zusammen. Gebiert Alle und Kosmen - und lässt Galaxien in Universen entstehen, verschwinden, platzen, zusammenfallen, zu Staub werden, zur Sonne werden. So viele Teile, so viel Energie. Doch weiss keiner mehr als der andere.

Vielleicht kennt Jahwe die Antwort, aber er gibt sie uns nicht. Isch sollte eine Ahnung von ihr haben. Eventuell weiss Satan davon. Yog Sothoth hat sie. Doch der ist im Turm, und niemand ist in der Lage, die Sterne zum Schlüssel zu formen. Er wartet, dass etwas passiert. Da ist kein Raum, keine Zeit. Deshalb wird es nicht geschehen. Es ist seine Zukunft, und die beginnt erst nachher. Er ist jetzt, und sein Jetzt währt ewig. Da ist kein Platz in der Zeit. Dazu müsste er aus dem Turm, und der ist verschlossen. Andere können ihn nicht finden, sie kommen nicht aus dem Zeitraum, nicht aus der Raumzeit heraus. Das sind die Experimente, die keiner wagt. Jahwe hat sie gewarnt. Er kann das, doch kein anderer wollte einen Gott spielen. Ihnen fehlte der Mut. Da kommt jemand, der ihn herausfordert. Er ist da, war da, wird da sein. Er beendet das Spiel, er erneuert das Triumvirat und gibt Yog Sothoth ein neues Hemd. Nur in der Gegenwart ist er nicht. Er ist nicht hier, wird nie kommen. Deshalb wissen wir nicht, wenige ahnen es. Keiner weiss. Doch gibt es Plätze in der Zeit, da ist Yog Sothoth der ewige Verlierer. Wir können es nicht wissen. Wir sind nicht dort. Wir denken linear...

Was passiert mit Yog Sothoth, wenn alle Universen zusammenbrechen, wenn nichts mehr ist innerhalb von Raum und Zeit? Er ist ausserhalb. Stürzt der Turm dennoch ein? Stirbt er, der Unsterbliche? Ist er unsterblich? Aber was ist, wenn alles verschwindet? Verschwindet er ebenfalls? Er gehört dazu, er kann nicht sterben. Auch Jahwe nicht. Oder Satan. Wo werden sie sein, wenn nichts mehr ist? Was werden sie sein? Wenn niemand mehr da ist, der sie vergöttert...

C. Toth erfindet die Hieroglyphen

Hier nannte man Toth fast bei seinem richtigen Namen, die Leute schrieben ihn nur anders: Thot. Und er war kein Pavian, doch jeder sagte es. Toth konnte schreiben. Deshalb erfand er für die Menschen hier eine Schrift – ein Alphabet aus Bildern. Das war einfacher, darüber musste er nicht viel nachdenken. Wenn man Vogel meinte, zeichnete man einen. Das verstand jeder. Aber welches Zeichen steht für einen Gott? Ein alter Mann beim Pokern? Oder jemand, der ein Glas mit Universen verschüttet? Oder gar ein Kerkermeister? Ein Turmvogt? Das sollte nicht Toths Problem sein.

Für die Leute hier ist er einer der Götter. Er wusste so viel über das, was kommen würde. Kein Wunder, jetzt war er an diesem Ort und in dieser Zeit, trieb er doch durch die Zeiten. Mal hier, mal da, mal Zukunft, mal Vergangenheit. Er hatte keinen Einfluss darauf. Hin und wieder hörte er Geschichten über sich, und ständig musste er überlegen. Jedes Mal gab man ihm einen anderen Namen. Auf diese Weise konnte er Weisheit löffelweise in sich aufnehmen. Bevor er begriff, warf ihn die Zeit an einen anderen Fleck. Immer der gleiche Planet, immer eine andere Zeit, mal in diese Richtung, mal in jene. Noch hatte er das Gesetz nicht entdeckt. Warum auch? War er doch nicht alleine und manchmal traf er einige der Anderen. Das Experiment war fehlgeschlagen. Nun trieben sie durch die Zeiten. Man musste einen Weg finden, das Experiment zu wiederholen. Aber nie waren sie lange genug an einem Ort, um es fertigzustellen. Ihre Insel war verloren. Überall erzählten die Menschen von Katastrophen, die vielleicht die ihrer Insel waren. Offensichtlich war keiner von ihnen gestorben. Alle trieben sie durch die Zeiten. Irgendwie kamen sie nie zur richtigen Zeit an den richtigen Ort. Wenn dies gelänge, könnte man das Experiment korrigieren. Davor bewahre uns Jahwe.

Hiesse es doch, er würde festsitzen. Seine Universen könnten sich verselbstständigen. Er hätte keine Kontrolle mehr. Nur Yog Sothoth hatte es geschafft, sass im Turm und mit ihm das Geheimnis. Er hatte immer dort gesessen und würde immer dort sitzen. Jahwe wusste es, und zockte ruhig weiter. Toth trieb es um. Er war weit weg, ein kleiner Strich in einem der Universen. Für Jahwes miese Augen nicht zu erkennen. Er ist eitel und trägt nie seine Brille. Solange er die Karten erkennen konnte. Das wiederum sah Toth nicht. Man hielt ihn selbst für einen Gott. Weil er viel wusste und schreiben konnte. Er konnte aufschreiben, was er sich merken wollte. Er konnte sogar aus Schilf etwas herstellen, worauf das Geschriebene bestehen blieb. Das hatte er immer gemacht.

Selbst das Schreiben erfand er zum wiederholten Male. Jeden Tag kamen neue Zeichen dazu. Nun musste man diese vereinfachen. Vielleicht Zeichen für Silben, aber selbst das wären zuviele. Das hatte er erlebt. Alle Menschen mussten unendlich viele Zeichen kennen, um schreiben zu können. Jeder schuf sich seine eigene Endlichkeit. Und vergass am Ende. Vielleicht half eine Mischung. Noch konnte er weitermachen, wie bisher. Alle glaubten, er könne schreiben. Bisher wusste niemand, dass man so etwas überhaupt tun konnte. Dafür hatten die Menschen hier hervorragende Gedächtnisse. Das wollte Toth eigentlich nicht ändern. Er hatte kein Mittel gegen das Vergessen. Die Menschen auf diesem Planeten, in diesem Universum, auf dieser Zeitlinie würden es lernen müssen. Es gab jetzt schon Dinge, die sie sich nicht merken wollten. Diese Seite des Seins auf dieser Zeitachse würden sie immer mehr perfektionieren. Bis sie eines Tages merkten, dass es nicht notwendig war. Vielleicht gelang es Toth, eine neue Richtung zu finden. Vielleicht konnte er sogar ein neues Universum kreieren. Nur für diese Menschen, die ihn vergötterten. Doch sie mussten das Vergessen vergessen. Deshalb erinnerte er sich an seine Insel, die jetzt nicht mehr war. Oder erst sein wird? Sie hatten das Vergessen besiegt, in dem sie überall Zeichen hinterliessen. Viele verschiedene Zeichen hintereinander waren wie eine Geschichte, ein Geschehen. Man konnte es nicht mehr vergessen. Immer wenn sich jemand nicht erinnern konnte, nahm er ein Buch, las die Geschichte und die Erinnerung war zurück. Selbst wenn jemand dieses Universum verliess, konnten neue Leute neuen Menschen alte Geschichten erzählen. Niemand vergass, wenn er auf die Zeichen blickte. Deshalb ahmte Toth es hier nach, wo die Menschen nichts anderes taten, als Getreide anzubauen und grosse, überdimensionale Gebäude zu bauen, grösser als auf seiner Insel. Da er sich nicht alle Geschichten merken wollte, malte er sie einfach auf. So wurde er Priester, der für andere einem Gott gleich kam. Niemand konnte die Geschichten von vergangenen Menschen erzählen, er konnte es. Er schaute kurz auf ein Schilfblatt und legte los. Vielleicht war es ein Trick.

Niemand hier erinnerte sich an den Tag, als Toth kam. Er war immer da, und würde sicher immer bleiben. Nur er wusste, dass er nicht ewig blieb. Er musste wieder auf die Insel, zur richtigen Zeit. Vielleicht war er nahe dran, so nah wie kein anderer. Er wusste es nicht. Ausser vielleicht Osiris. Seth hatte versucht, ihn aus dem Universum zu stossen. Da änderte sich alles. Osiris war weg. Er war immer mit ihnen durch die Zeit gegangen, nun war er weg. Vielleicht war er angekommen, wo sie alle hinwollten. Auf einmal war er Geschichte, nichts weiter als eine schöne Geschichte. Nichts hatte sich geändert. Er war nie da, würde nicht wieder kommen. Er war eine Geschichte, die sie nicht vergassen. Vielleicht war er an einem Punkt gelandet, an dem niemand vor ihnen war.

Auf jeden Fall war Isis ziemlich sauer auf Seth. Da spielte es keine Rolle, ob Osiris der Bruder, Gatte oder nur ein Freund war. Wer war Horus? Isis hatte keine Kinder, als das Unglück passierte. Es waren nur eine Handvoll Leute im Labor. Hatte es vielleicht die ganze Insel erwischt? Gar den ganzen Planeten? Das hiesse, Geschichte war ein nicht enden wollender Kreislauf. Sie hatten keine Chance, auszubrechen. So müssten alle genau wissen, was passieren würde. Toth musste die Anderen finden. Er las von ihnen. Sicher war, dass alle am Anfang da waren. Dort nannte man sie bei ihrem richtigen Namen. Viele tauchten zu anderen Zeiten auf. Aber es war schwer zu erkennen, wer nun wer war. Toth war mal Nostradamus. Wahrscheinlich auch Merlin. Thot am Nil. Selbst Jesus hatte Dinge gesagt, die von ihm sein konnten.

Auf Inanna war er schon immer scharf gewesen. Jetzt ging sie ihm aus dem Weg. Er musste immer wieder alles aufschreiben, damit er besser verstehen konnte. Auch wenn es ganz subjektiv war. Andere waren nirgends zu finden. Wer war Nostradamus? Merlin? Noch waren die nicht geboren, dafür hatte er Jahrtausende Zeit. Würde er sie treffen? Hatte er bereits? Oder würde er noch? Vielleicht ist er gerade dort. Zumindest waren sie einmal zur selben Zeit an verschiedenen Orten, nicht weit entfernt. Beide hatten sie ihre Gedanken aufgeschrieben, nur hatte Merlin die seinen besser verschlüsselt, ohne Rechenmaschinen konnte die keiner richtig verstehen.

Irgendwann einmal wird man diese Maschinen Computer nennen. Toth hatte schon viele gesehen, nur halt woanders, nie, wenn er die Bücher von Nostradamus oder Merlin in der Hand hatte. Diese waren ihm irgendwie ähnlich, aber viel cleverer. Würde Toth einmal zurückkommen, ein paar Meilen weiter weg? Es wäre denkbar, aber nie war er zweimal in der gleichen Zeit an verschiedenen Orten. Er müsste nicht viel lernen, um seine Texte so zu verschlüsseln. Wenn er einen Computer hätte. Nur wie konnte er den zum Laufen bringen? Tausende Jahre vor den Menschen. Schön wäre es, wenn er jetzt einen hätte. Wie leicht wäre es, eine Schrift zu erfinden. Er musste versuchen, Inanna, oder Osiris, oder Poseidon, naja, halt einen von den anderen, zu treffen. Sie mussten hier sein. Die Leute sprachen von ihnen, und das, was sie erzählten, klang wie die Geschichten von zu Hause, von der Insel. Hatten sie einiges mitnehmen können? Das könnte ihm helfen. Was war mit Isis?

Isis war chaotisch. Immer brachte sie alles durcheinander. Andere mussten es wieder in Ordnung bringen. Für sie war das Chaos völlig in Ordnung. Wenn Osiris mal aufräumte, grenzte das für sie an ein Verbrechen. Für sie war die Ordnung das Chaos. Nur im Chaos fand sie ihre Ideen. Merke dir alles, so wie es in den Kopf kommt, und du wirst irgendwann etwas völlig Neues finden. Du musst nur aufpassen, wie die Fäden verlaufen und an den Kreuzungspunkten musst du ziehen. So fällt immer etwas aus dem Netz. Auf die kleinen Stückchen Glück kommt es an. Im richtigen Moment zugreifen und du hälst die Zukunft der Menschheit in der Hand. Naja, ein kleines Stück davon. Isis ist eine Meisterin im Finden dieser Momente. Andere müssen lange suchen, die meisten können damit nichts anfangen. Sie kommen immer, wenn man sie nicht erwartet, nachts im Schlaf, beim Überqueren der Strasse, im Feld, beim Sex. Sie überschaute das Durcheinander, konnte viele Fäden gleichzeitig in ihren Gedanken festhalten und miteinander verknüpfen, und Osiris kommt und entwirrt diese wieder. Kein Wunder, dass Isis das nicht gut findet. Er reisst sie aus ihren Gedanken. Doch all das half Toth nicht. Er hatte seine Probleme. Seine Fäden waren anders verknüpft und er verstand diese nicht. So viele Knoten an Orten, die er nicht erreichen konnte. Er würde sie am liebsten durchschlagen, dann würde er etwas Anderes erschaffen. Das wollte er nicht. Er wollte es so verstehen, wie er es kannte. Doch da entstand etwas Neues, was er nicht begriff. Die Knoten bildeten sich an den falschen Punkten. Sie waren sicher an der richtigen Stelle, nur er verstand sie falsch.

Er wollte eine Schrift, aber die entzog sich seinem Verständnis. Jeden Tag kamen andere Leute mit immer wieder anderen Zeichen. Jeder erfand hier neue Worte, und neuerdings gleich ein Zeichen dazu. Es waren inzwischen Tausende. Wenn es so weiterging, konnte man gleich Bildergeschichten malen. Wie hatten es bloss die Leute im Osten gemacht. Sie benutzten zwar keine Bilder, aber jedes Wort hatte sein eigenes Zeichen. Sie nutzten das System über Jahrtausende, niemand brachte die Zeichen durcheinander. Jedoch lernen konnte niemand alle. Am Ende kannte jeder so viele, dass er lesen konnte, wenn man sie zu Geschichten zusammensetzte. Die Strichcodes, die Inanna erfand, waren übersichtlicher. Sie war ihm immer voraus. Oder hatte er gedacht, mit seinen Bildern besser als sie zu sein. Wollte er ihr beweisen, was er alles konnte, und am Ende wieder unterliegen. Aus seinen Bildern würde nichts werden. Das wusste er. Ihre Striche werden verschmelzen, aber mit Phantasie konnte man sie erkennen. Seine Bilder verschwanden, oder verschmolzen sie mit ihren Strichen? Sie nutzte Buchstaben, die für sich manchmal echte Bilder waren. Toth war auch Kyrill. Er kommt nicht von den Bildern weg. Er kannte den Weg, und im Augenblick doch nicht. Er musste ein System entwickeln, weg vom Chaos, damit andere es verstehen konnten. Vielleicht, wahrscheinlich würde man die Schrift vergessen, und es wäre schön, wenn man später die Texte lesen könnte. Mit einem bisschen Gehirnschmalz natürlich. Überlegen sollten die Leute schon, wie könnte es mal gewesen sein.

Toth ist zwar dort, aber andere sollten zeigen können, was in ihnen steckt. Tausende Jahre sollte niemand ein Interesse daran haben. Dann kamen die sogenannten Computer. Kurz vorher hatte jemand eine Idee, und andere dachten sie weiter. Welchen Sinn hätte eine Schrift, wenn alle sie lesen konnten? Jeder würde jeden verstehen, und alle könnten alles wissen. Am Ende wäre man in der Lage, Jahwe zu verstehen. Man könnte die Antwort finden, mit der alle Fragen gestrichen werden. Die kennt nicht einmal Jahwe. Er könnte, falls er mal an etwas Anderes denkt als ans Pokern. Yog Sothoth musste damit aufhören, so erkannte er diese Antwort. Nur was nützt sie ihm? Es ist niemand dort, der ihm zuhört. Wenn mal jemand zuhören würde. Aber dies ist eine andere Geschichte, die Toth nicht kennt. Er kann sie immer nur einen kleinen Schritt voranbringen, nie beenden...

D. Die Reise beginnt

Oh Mann, oh Mann, diese Kopfschmerzen. Toth hätte nicht so viel trinken sollen, und erst recht nicht mit Inanna gehen. Das halbe Institut war hinter ihr her. Nun hatte sie ihren Kopf ausgerechnet auf seiner Schulter liegen. Nicht etwa nur freundschaftlich - nein, sie lagen nackt unter ihrer Bettdecke, er spürte ihre Brüste auf seiner Haut und sie streichelte sein liebstes Stück. Mann erzählte sich so einiges über sie. Doch was er gerade hinter sich hatte, überstieg seine Vorstellungskraft. Es hatte sich angefühlt, als wollte sie ihn in sich aufsaugen...

Genug davon. In ein paar Stunden war es endlich soweit. Das Experiment sollte gestartet werden. Jahre der Vorbereitung gingen zuende. Lange hatten sie gesucht und am Ende eine Insel gefunden. Hoffentlich weit genug entfernt vom Rest der letzten bewohnten Gebiete. Falls etwas schief gehen sollte. Man hatte einen kreisrunden Hafen gebaut, tempelartige Gebäude, um die gesamte Technik aufzunehmen, und eine mittelgrosse Stadt für die Mitarbeiter. Jetzt war diese Stadt nahezu menschenleer, die letzten Schiffe waren abgeflogen. Überall auf der Erde hatte sich davon gemacht, wer konnte. Alle hatten sie Angst vor dem, was eventuell kommen könnte. Jahrelang hatten sie gerechnet. Hingerechnet. Hergerechnet. Und man war zu dem Ergebnis gekommen, es müsste funktionieren. Andere haben ebenfalls gerechnet und waren meist auf das gleiche Ergebnis gekommen. Doch tauchten schnell die üblichen Warner auf und predigten, nicht nur die Insel im Atlantik würde bei dem Experiment untergehen, nein, die ganze Erde müsste dran glauben. Selbst wenn nicht das passieren würde, so würden mindestens die alten Götter auftauchen, vor denen bereits seit uralten Zeiten gewarnt wurde. Allen voran dieser Yog Sothoth.

Zwar glaubte niemand mehr an Götter, aber wenn die damals schon so weit

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jimi Wunderlich, Die Wunderlich(e) Edition
Cover: Jimi Wunderlich, Die Wunderlich(e) Edition
Tag der Veröffentlichung: 28.09.2017
ISBN: 978-3-7438-3440-8

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