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Leseprobe

SEATTLE HEARTBREAKER

MANNING BROTHERS 2

MRS KRISTAL

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1

EMILIA

GARMISCH-PARTENKIRCHEN, NEUN MONATE ZUVOR

Genervt von meinem Freund Julius verlasse ich mein Zimmer und checke noch einmal, ob ich alles für die Party heute Abend eingepackt habe. Handy, Geldbörse, Lippenstift – alles befindet sich in meiner kleinen Umhängetasche. Ich kann nicht fassen, dass mein Freund mich unter einem Vorwand nach München gelockt hat. Er weiß doch, wie selten ich meine Cousine Louisa sehe, die in Seattle lebt. Außerdem ist Louisas Wiederfreund Aaron zu Besuch mit seinem Bruder Aiden. Beide Manning-Brüder sind supercool, und ich verbringe lieber meine freie Zeit mit ihnen als allein in München. Julius muss lernen.

Der Umstand, dass Aaron wieder Louisas Freund ist, ist erst seit heute Nachmittag aktuell, aber es ist schön, ihn so zu betiteln. Er ist aus den USA hergeflogen, um sie zurückzubekommen. Das nenne ich wahre Liebe. Und ein dickes Bankkonto, dass er mal eben so einen Langstreckenflug aus dem Ärmel zaubern kann. Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, Aaron Manning zu googlen, lange bevor das Drama mit Louisa vor unserer Tür stand – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wer kommt auf die Idee, seine Freundin vor dem ganzen Land bloßzustellen, um sie in Wahrheit zu beschützen? Männerlogik.

Aaron ist der bestbezahlte Quarterback der National Football League. Verschiedenen Quellen zufolge verdient er zwischen siebenundzwanzig und dreißig Millionen Dollar im Jahr. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist mehr Geld, als Normalsterbliche in ihren vierzig Jahren Berufstätigkeit jemals sehen werden. Aaron hat sich eine Wohnung für neun Millionen Dollar von meiner Cousine konzipieren lassen. Dagegen ist ein Langstreckenflug ein Witz.

So wie ich seinen Bruder Aiden verstanden habe, haben sie diesen Flug auch nur genommen, weil sie auf die Schnelle keinen Privatjet ordern konnten.

In den letzten Tagen habe ich mich köstlich mit Aiden und Aaron amüsiert. Vor allem Aiden ist ein witziger Kerl, und wir sind absolut auf einer Wellenlänge. Er hat sich sofort zu allerlei Blödsinn überreden lassen. Das wird vermutlich auch der Grund sein, warum Julius mich unter falschem Vorwand nach München gelotst hat. Ich habe mich wohl zu gut mit Aiden verstanden. Zugegebenermaßen war es Aiden auch schlichtweg egal, dass Julius anwesend war, während er schamlos mit mir geflirtet hat. Ich bin nicht darauf eingegangen, aber das hat meinen Freund nicht milde gestimmt. Dass Julius eifersüchtig ist, ist ihm nicht zu verdenken. Würde eine Frau aus Amerika kommen, um seine Schwester zurückzugewinnen, ihre superheiße Schwester mitbringen, und diese würde unentwegt mit ihm flirten, wäre ich auch eifersüchtig.

Doch unsere Beziehungsprobleme Aidens Anwesenheit in die Schuhe zu schieben, ist nicht fair. Wir sind seit fast sechs Jahren zusammen, aber zurzeit stecken wir in einer Krise. Während ich mit meinem Bachelorstudium fast fertig bin und meine Abschlussarbeit im Februar abgeben werde, steckt Julius noch mitten im Studium. Wir sind zum ersten Mal in unserer Beziehung an völlig unterschiedlichen Punkten im Leben.

Wir sind zusammen, seitdem wir sechzehn Jahre alt sind, haben gemeinsam Abitur in Garmisch-Partenkirchen gemacht und sind zum Studieren nach München gezogen. Das war vor fast drei Jahren. Natürlich haben wir uns verändert und neue Leute kennengelernt. Doch seit ein paar Wochen habe ich das Gefühl, dass ich ihm nichts mehr recht machen kann. Ich schiebe es auf den Stress, den er mit der kommenden Prüfungsphase im Februar hat, aber dieser Stress beginnt nicht im November und zieht sich über das gesamte Wintersemester. Heute Morgen haben wir uns so heftig gestritten, dass ich ohne ein versöhnliches Wort die Wohnung verlassen habe. Dabei war es zu Beginn eine völlig unverfängliche Situation. Mein Bruder hat mir ein Bild von sich und Aiden beim Skifahren geschickt. Ich habe es Julius gezeigt und gesagt, dass Aiden ein Naturtalent ist. Mein Freund ist daraufhin ausgerastet und hat meine Aussage in einen völlig unnötigen, anrüchigen und sexuellen Bezug gebracht. Er meinte, dass ich zugeben solle, dass ich auf ihn stehe und er mich anmacht. Was totaler Blödsinn ist. Ich habe einen Freund, und selbst wenn Aiden mir gefällt, weil er nun mal ein schöner Mann ist, würde ich doch niemals mit ihm in die Kiste springen.

»Bist du so weit?« Ich zucke zusammen, als ich angesprochen werde, und hebe den Kopf. Aiden steht einige Schritte von mir entfernt und grinst mich an. Er trägt eine verwaschene Jeans, ein weißes Hemd, dessen obere Knöpfe offen sind. Es schmiegt sich perfekt an seinen durchtrainierten Körper.

»Ja, und du?«, frage ich, und er nickt. »Meine Jacke, Mütze und Schal sind unten an der Garderobe, aber ich bin so weit.«

»Super«, erwidere ich. »Sebastian kommt direkt zum Club. Er ist noch bei einem Freund.« Aiden nickt und sieht in Richtung des langen Flurs, auf dem sich unsere Zimmer befinden.

»Glaubst du, Lou und Aaron kommen mit?«, will er wissen und legt den Kopf leicht schief.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung«, erwidere ich. »Vielleicht warten sie auch nur darauf, dass wir verschwinden.«

Ein dreckiges Grinsen legt sich auf Aidens Lippen, und er sieht mich an.

»Möglich«, meint er und folgt mir die Treppe hinunter. »Ich wette, sie können es kaum erwarten zu ficken.«

Ich muss lauthals lachen, als er das sagt. Aber ganz ehrlich kann ich mir das auch sehr gut vorstellen. Sie konnten im Gasthaus schon kaum die Finger voneinander lassen. Da meine Eltern heute Abend ebenfalls nicht zu Hause sind, warten sie sicherlich nur darauf, dass Aiden und ich weg sind.

»Aber mal ehrlich«, murmelt Aiden, »ich könnte auch mal einen wegstecken.«

Augen rollend sehe ich zu ihm.

»Schafft ihr Kerle es nicht mal eine Woche ohne Sex?«, will ich wissen.

Dann gehe ich die Treppe nach unten.

»Was soll das denn heißen?«, ruft er mir nach. »›Wir Kerle‹? Ihr seid doch mindestens genauso scharf, wenn ihr Bock habt.«

»Und da ist der Unterschied«, rufe ich ihm über meine Schulter hinweg zu. »Wir haben nicht ständig Bock. Aber da Aaron ein Kerl ist und Lou auf dem Trockenen sitzt, wirst du wohl recht haben.«

Aiden lacht, als wir am unteren Ende der Treppe ankommen.

»Wir sind hier«, ertönt Aarons amüsierte Stimme, und ich sehe zu ihm. Zu meiner Überraschung sind er und Louisa komplett angezogen und warten auf uns. »Seid ihr dann auch endlich so weit? Oder wollt ihr noch ficken?«

Hitze steigt mir in die Wangen, und ich schnappe nach Luft, als sein Blick zwischen Aiden und mir hin und her geht. Wir wollen mit Sicherheit nicht miteinander ficken. Ich habe einen Freund. Das ist peinlich, weil Aiden alles andere als abgeneigt aussieht. Ein Kribbeln durchfährt mich, das ebenso unangebracht ist. Ich habe einen Freund.

»Immer doch.« Aiden greift nach meiner Jacke und reicht sie mir. »Hier, bitte.«

»Danke«, erwidere ich und schlüpfe hinein. Dazu ziehe ich noch meine Mütze auf und Handschuhe. »Können wir los?«

»An uns soll es nicht liegen.« Aaron greift nach Louisas Hand. »Wir haben Zeit.«

Lächelnd sieht er sie an und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. Aiden murmelt etwas, was ich nicht verstehe, und ich würde am liebsten verzückt seufzen. Man sieht, wie sehr sie sich lieben, und vor allem, wie glücklich sie sind. Diese intimen Momente, in denen man als Paar alles ausblenden kann und nur man selbst wichtig ist, habe ich mit Julius schon lange nicht mehr erlebt. Mittlerweile wirkt alles eintönig und einstudiert, dass es kaum noch Leidenschaft und intime Momente zwischen uns gibt.

»Emilia?« Ich zucke zusammen. Aiden steht in der offenen Haustür, während Aaron und Louisa längst verschwunden sind. Das Grinsen, das er mir zuwirft, lässt mich leicht erröten. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass die anderen losgegangen sind. »Kommst du?«, setzt er überflüssigerweise noch nach.

»Sicher.« Ich folge ihm schnellen Schrittes hinaus zu meiner Cousine und ihrem Freund.

* * *

Ich drehe mein Bierglas in der Hand und betrachte es. Eigentlich dachte ich, dass ich es schaffe, heute Abend abzuschalten und Spaß zu haben, aber meine Gedanken wandern immer wieder zu Julius und unserem Streit. Ich mag es nicht, mich mit ihm zu zanken. Er hat mir zahlreiche Nachrichten geschrieben, ob ich okay bin und was ich heute Abend mache. Ich habe ihm geantwortet, dass es mir gutgeht und ich ausgegangen bin. Für unsere Beziehung wäre es besser gewesen, wenn ich ihm verheimlicht hätte, dass ich auf die Party gegangen bin. Ich belüge ihn nur ungern. Außerdem kann man hier immer wieder Freunden und Bekannten begegnen, und wenn die ihm sagen, dass ich feiern war, und nicht ich, habe ich auch Ärger.

Im umgekehrten Fall möchte ich ebenso wenig, dass er mir etwas verschweigt. Julius hat wieder Stress gemacht, als er rausgefunden hat, dass Aiden auch dabei ist. Seine Vorwürfe kann er sich sonst wohin stecken.

»Du siehst nicht so aus, als würdest du dich amüsieren.« Aiden taucht neben mir auf, und ich ziehe die Augenbrauen hoch. Ich wusste gar nicht, dass er noch hier ist. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, hat er sich mit meinem Bruder auf der Tanzfläche rumgetrieben und irgendwelche Touristinnen angebaggert. Nicht, dass es mich gestört hat, dass jeder hier mehr Spaß hat als ich. Louisa und Aaron sind schon vor Stunden verschwunden. Aiden hat mich darauf nur grinsend angesehen und mir zugezwinkert.

»Und du?«, erwidere ich interessiert. »Keine Touristinnen mehr übrig?«

Ohne zu zögern, schießen seine Mundwinkel in die Höhe, und er lehnt sich zu mir vor. Sein Aftershave, gepaart mit Schweiß, umhüllt mich. Er riecht gut, keine Frage, und das, obwohl er verschwitzt ist. Sein Hemd schmiegt sich nahezu perfekt an seinen Körper, das ist mir heute schon einige Male aufgefallen. Aus der Nähe sind seine Augen noch brauner und anziehender als aus der Entfernung. Der Dreitagebart lässt ihn noch sexyer wirken. Aiden ist äußerlich das genaue Gegenteil von Julius. Dunkle Haare, dunkle Augen und ein verdammt muskulöser Körper. Julius hat blaue Augen, blonde Haare und trägt eine rundliche Brille. Auch sein Körperbau kann es mit dem von Aiden nicht aufnehmen.

»Bist du eifersüchtig?«, fragt er, und ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Ich kann dich beruhigen, da war keine dabei, die mich scharfgemacht hat.«

»Eifersüchtig?« Ich lache und schüttle mit dem Kopf. »Wie kommst du denn darauf?«

»Deine Formulierung klang so.«

»Meine Formulierung?« Ich schmunzle. »Aber … um deine Frage zu beantworten: Ich bin nicht eifersüchtig.«

»Ja klar.« Aiden schnalzt mit der Zunge. »Keine Sorge, Lia. Ich habe dich die ganze Zeit im Auge behalten.«

»Ach ja?«, krächze ich und weiß überhaupt nicht, warum meine Stimme plötzlich den Dienst quittiert. Aiden mustert mich grinsend und beugt sich noch weiter zu mir vor. Mir wird heiß, und ich beiße mir auf die Lippe. Der Umstand, dass mein Spitzname mit seinem amerikanischen Akzent echt heiß klingt, macht es auch nicht besser. Allgemein klingt jedes deutsche Wort aus seinem Mund heiß.

»Natürlich.« Er zwinkert mir zu. »Die schönste Frau im Raum habe ich immer im Blick.«

Dieser Spruch ist so dermaßen abgedroschen, dass er mir nicht schmeicheln sollte, aber er tut es. Hitze steigt mir in die Wangen, und ich nippe an meinem Bier. Am Ende schiebe ich es auf den Alkohol.

»Wo sind Lou und Aaron?«, weiche ich seinem Flirtversuch aus. Mir ist klar, wo die beiden sind. Mir ist es nur unangenehm, dass Aiden mit mir flirtet.

»Ficken«, erwidert er gelassen. »Und dein Bruder auch, falls du fragst.«

Ich verziehe den Mund. Das Sexleben meines Bruders interessiert mich nun wirklich nicht. Sebastian ist meiner Meinung nach in einem Alter, in dem er sich langsam mal niederlassen könnte und eine Frau kennenlernen. Statt sich auf Partys One-Night-Stands aufzureißen.

»Das wollte ich nicht wissen«, antworte ich Aiden genervt. »Es ist ekelhaft.«

»Wieso?«, fragt Aiden. »Ist doch nichts dabei. Jeder tut es.«

»Was?«

»Ficken«, erwidert er, und ich stöhne auf. »Oder nicht?«

»Doch«, bestätige ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Natürlich.«

Viel zu spät wird mir bewusst, was ich da gesagt habe, und ich warte nur auf den verbalen Schlagabtausch seinerseits. Aiden wird mir sicherlich einen Spruch reindrücken, um mehr über mein Sexleben zu erfahren.

»Oder du etwa nicht?«, setzt er nach.

»Doch«, sage ich nachdrücklich. »Wie du so schön sagtest: Wer nicht?«

Aiden grinst breit und winkt den Kellner herbei.

»Zweimal Ficken für uns«, bestellt er den vielsagenden Schnaps, und ich muss lachen.

»Mehr Ficken wirst du heute auch nicht mehr bekommen.«

* * *

Stöhnend krache ich mit dem Rücken gegen die Wand neben meinem Zimmer. Mein Atem geht schwer, und der muskulöse Körper, der mich gegen die Wand drückt, signalisiert mir nur zu deutlich, was er will. Aidens Lippen fahren über meinen Hals, saugen an der dünnen Haut. Seine Hände finden den Weg unter mein Kleid und streichen über meine nackten Schenkel. Für Minusgrade an einem Novemberabend bin ich ziemlich luftig angezogen, das weiß ich selbst, aber auf einer Party möchte man nun mal gut aussehen. Meine Finger fahren über die Knopfleiste seines Hemdes, und ich öffne einige Knöpfe.

Ich habe keine Ahnung, wie ich mich in die Situation hineinmanövrieren konnte, in der er mich nun gegen die Wand drückt und um den Verstand küsst. Er küsst verdammt gut. Heilige Scheiße!

»Aiden …« Ich keuche und suche seine Lippen wieder mit meinen. Hart prallen sie aufeinander, und ich stöhne verzückt auf, als er seine rechte Hand zwischen meine Beine bringt und meinen Slip beiseiteschiebt. »Oh, fuck.« Geschickt finden seine Finger mein Zentrum und streicheln mich. Sein Daumen massiert meine Klitoris, und Wellen der Erregung suchen meinen Körper heim. Ich bin so angeturnt wie schon lange nicht mehr.

»Aiden …« Ich kralle meine Finger in seinen Nacken, was ihm ein Stöhnen entlockt. Unsere Zungen umspielen einander, und jeder von uns will die Oberhand haben.

»Ich will dich.« Er stöhnt und löst sich von mir. »Fuck … ich will dich so sehr.«

Ich bekomme nur nebenbei mit, wie er mich von der Wand wegzieht und in mein Zimmer manövriert. Die Nacht ist sternenklar, und der Vollmond wirft sein Licht durchs Fenster herein. Ich kann Aidens maskuline Gesichtszüge erkennen. Sein markantes Kinn, die Wangenknochen sowie seinen sexy Dreitagebart, der immer wieder über meine Haut reibt. Er schiebt mich zum Bett, und ich lasse mich darauf nieder. Aiden knöpft sein Hemd ganz auf, und meine Augen bleiben an seinen Fingern kleben. Knopf für Knopf fällt der Stoff auseinander. Sein Oberkörper ist noch beeindruckender, als ich es mir vorgestellt habe.

Seine Brust ist breit und von vereinzelten braunen Haaren geziert. Sein Sixpack ist wohldefiniert, und ich lecke mir erregt über die Lippen, als mein Blick tiefer gleitet und dem feinen Haarstreifen in seine Boxershorts folgt. Die Beule in seiner Jeans ist kaum zu übersehen.

Aiden geht an mir vorbei und schaltet die Nachttischlampe ein. Ich beobachte ihn dabei. Ohne etwas zu sagen, streift er seine Schuhe ab und kickt sie von sich.

»Zieh dich aus«, weist er mich an, und ich nicke. Völlig unfähig, meinen Willen zu zeigen, tue ich, was er sagt. Ich öffne mein Kleid, während er sich seiner Jeans entledigt und sie samt seiner Boxershorts und Socken abstreift. Aiden steht nackt vor mir. Grinsend kommt er zu mir und zieht mich an der Hand wieder auf die Beine.

»Ich weiß, dass ich beeindruckend bin, Baby«, flüstert er mir zu und streift mit seinen Lippen über meinen Hals. Hitze breitet sich in meinem Schoß aus, und ich fahre mit meinen Händen über seine Brust. Die Stoppeln seiner Brusthaare kitzeln meine Fingerspitzen. Er beißt sanft in die dünne Haut meines Halses. Lust strömt durch jede Faser meines Körpers. Seine Hände gehen weiter auf Wanderschaft, und er gibt mir einen Klaps auf den Hintern. Ich stöhne erneut auf.

»Sei leise«, wispert er. »So gern ich dich meinen Namen schreien hören möchte.«

Ich nicke, und er beugt sich vor und legt seine Lippen auf meine. Sanft umspielt seine Zunge deren Konturen und bittet um Einlass. Seufzend gewähre ich ihm diesen und lasse mir zeitgleich mein Kleid und meinen BH ausziehen, sodass ich nur noch in meinem dünnen Spitzenslip vor ihm stehe.

»Dreh dich um«, weist er mich an, und ich lege den Kopf leicht schief. »Bitte.«

Das war zwar nicht das, was ich hören wollte, aber er lächelt mich so hinreißend an, dass ich nicht anders kann, als mich umzudrehen.

Aidens Hände fahren über meine Seiten bis zum Ansatz meiner Brüste. Er umfasst sie und wiegt sie in seinen Händen hin und her.

»Aiden«, hauche ich, als er sie packt und mit meinen Nippeln spielt. Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht laut zu stöhnen. Das fühlt sich zu gut an. Es ist viel zu lange her, dass solche Wellen der Erregung beim Sex durch meinen Körper gegangen sind. Ehrlich gesagt sind Julius und mein Sexleben nicht sonderlich aufregend. Vielleicht liegt es daran, dass wir schon zu lange zusammen sind oder noch nie einen anderen Sexualpartner hatten. Denn das, was Aiden hier mit meinem Körper macht, ist unglaublich. Als er mich erneut fest in meinen linken Nippel zwickt, stöhne ich laut auf.

»Leise«, knurrt er und küsst meinen Hals. »Ich will keinen Ton mehr hören.«

Ich nicke, und im nächsten Moment schiebt er seine rechte Hand zwischen meine Beine und umkreist erneut meine Klitoris. Bei der Berührung sacke ich nach vorn. Aiden nimmt einen zweiten Finger dazu und führt beide langsam in mich ein.

»Geh aufs Bett«, weist er mich an. »Auf die Knie. Nimm dir ein Kissen für deinen Mund.«

Lust durchflutet meinen Körper, aber auch Unsicherheit. Ich habe es noch nie von hinten getan ohne ausgedehntes Vorspiel und erste Stellung während unseres Liebesspiels. Die wenigen Male, in denen Julius und ich diese Stellung ausprobiert haben, kann ich an einer Hand abzählen. Sie waren nicht mal gut. Ich bin nicht gekommen.

»Aiden …« Ich keuche, als er seine Hand durch seinen Mund ersetzt und einmal der Länge nach mit seiner Zunge über mein Geschlecht leckt. »Fuck, ja …«

Das mit dem Kissen war eine gute Idee, denn die kommenden Minuten sind die reinste Folter. Er leckt mich buchstäblich um den Verstand, und als er mir einen harten Klaps auf meinen Hintern gibt und gleichzeitig meine Klitoris zwischen Daumen und Zeigefinger drückt, explodiere ich. Laut stöhne ich seinen Namen in das Kissen. Das ist der heftigste und auch schnellste Orgasmus meines Lebens. Es dauert einen Moment, bis meine Synapsen wieder richtig funktionieren und ich Luft bekomme.

»Bist du okay?«, nehme ich seine Stimme aus reichlicher Entfernung wahr und danach seine Lippen, die meine Wange küssen. »Emilia?«

»Alles gut«, antworte ich. »Ich bin okay … Das … das war unglaublich.«

Immer noch schwer atmend drehe ich mein Gesicht zu ihm herum. Aiden steht hinter mir, die Hände auf meinem Hintern platziert, und lächelt.

»Hast du Kondome?«, fragt er, und ich spüre, wie die Matratze hinter mir nachgibt und er aufsteht. Ich drehe den Kopf und keuche, als ich seinen Schwanz sehe. Hart und dick steht er empor. Ungeniert beiße ich mir auf die Lippen und kann es kaum erwarten, ihn in mir zu spüren. Wenn er mit ihm genauso talentiert ist wie mit seinem Mund und seinen Fingern, bin ich im Himmel.

»Im Nachtkasten.« Mit einem schwachen Nicken deute ich darauf. »Oberste Schublade.«

Aiden beugt sich über mich, sodass seine Brust meinen Rücken berührt und sein harter Schwanz gegen meine Mitte stößt. Leise stöhne ich auf. Er öffnet die Schublade und zieht eine Packung Kondome hervor. Er wirft sie neben uns auf das Bett und zieht eines heraus. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als er die Folie aufreißt und das Präservativ rausnimmt. Aiden streift es über seinen harten Schwanz und greift nach meiner Hüfte.

»Ist es so okay für dich?«, will er wissen und beugt sich über mich. Er streift mit seinen Lippen meine Wange. Mit der linken Hand umfasst er meine Brust und spielt mit meinem Nippel, was mich leise stöhnen lässt. »Du bist so heiß«, flüstert er mir ins Ohr. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. »Ich kann es kaum erwarten, in dir zu sein.«

Ich stöhne, kralle mich in den Überwurf meines Bettes, auf dem wir liegen, und presse mein Gesicht erneut in das Kissen. Seine Eichel drückt gegen meinen Eingang und dringt in mich ein. Zentimeter für Zentimeter schiebt Aiden seinen Schwanz in mich. Seine linke Hand wandert auf meine Hüfte oberhalb meines Hinterns, während die rechte mich weiter ins Hohlkreuz drückt, sodass mein Hintern angehoben wird.

»Fuck, Lia.« Aiden keucht und stößt in mich. »Das ist so geil.«

»Aiden …« Meine Stimme bricht. »Oh, Gott.«

Das Kissen dämpft mein Stöhnen, als er sich mit einem kräftigen Stoß bis zur Wurzel in mir versenkt.

So viel dazu, dass es außer dem Schnaps heute kein Ficken mehr für ihn gibt. Und er fickt wirklich gut!

2

EMILIA

SEATTLE, NEUN MONATE SPÄTER

»Es ist so schön, dass du hier bist.« Tante Judith lässt mich eintreten und lächelt mich an. »Wie geht es dir? Wie war dein Flug? Hast du Jetlag?«

Ihre Fragen prasseln auf mich ein.

»Mom, jetzt lass sie doch erst mal ankommen.« Laura kommt hinter ihrer Mutter hervor und umarmt mich. »Hey Kleines, schön, dass du da bist.«

»Ich freue mich auch, hier zu sein«, erwidere ich und streife meine Jeansjacke und meine Sneakers ab. »Mein Flug war gut. Was erwartet man auch anderes bei der Business-Class?«

Ich zwinkere ihnen zu. Louisa hat meinen Flug gebucht, und ich habe ihr zigmal gesagt, dass es für mich auch absolut in Ordnung ist, zehn Stunden in der Economy-Class zu sitzen, aber darauf hat sie nicht viel gegeben. Nein, es musste die Business-Class sein. Es war der absolute Wahnsinn. Die Sitze waren so bequem, die Wolldecken kuschelig weich und die Stewardess so abgefahren nett, dass sie mir jeden Wunsch von den Lippen ablesen wollte. Onkel Andrew hat mich vor zwei Stunden abgeholt, und nun sind wir endlich angekommen. Der Flughafen von Seattle befindet sich außerhalb der Stadt, und durch den dichten Verkehr hat es ewig gedauert, bis wir hier waren.

»Louisa hat übertrieben«, rede ich weiter. »Ich hätte auch die Holzklasse genommen.«

»Sie wollte nur, dass du einen perfekten Start in dein neues Leben hast«, erwidert Tante Judith. »Bist du hungrig?«

Ich bin nicht hungrig, aber ich traue mich nicht, ihr das zu sagen. Im Flugzeug habe ich zwei sehr üppige Mahlzeiten bekommen und allerlei Snacks. Ich bin sogar alles andere als hungrig, aber so, wie ich meine Tante kenne, hat sie ein Menü zur Feier des Tages gekocht. Meine Mutter kocht auch immer für eine ganze Kompanie, wenn Sebastian und ich zu Besuch sind oder die Familie aus Amerika.

Früher habe ich Louisa und Laura ein-, maximal zweimal im Jahr gesehen. Laura hat während ihres Highschool-Jahres bei uns gelebt. Damals haben wir uns jeden Tag gesehen, gingen in dieselbe Schule. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Cousinen und freue mich sehr, nun ein Teil ihres Lebens in Seattle zu sein. Es war schon immer mein Traum, bei ihnen in den USA zu leben. Amerika, das klang für das kleine Provinzmädchen aus Bayern wie ein riesiger Traum. Damals konnte ich mir kaum vorstellen, dass hier nicht alles Gold ist, was glänzt.

Nach langem Hin und Her in den letzten Monaten und unzähligen Gesprächen mit Louisa, Laura, meinen Eltern sowie meinem Bruder habe ich mich tatsächlich auf das Stipendienprogramm der Münchener Universität beworben, um meinen Master in Internationalem Management in den USA zu absolvieren. Zu meinem Glück gehört die Universität in Seattle zu einer der Partneruniversitäten in den USA. Mit dem Wunsch, nach Seattle zu kommen, weil ein Teil meiner Familie hier lebt, und einem Praktikumsplatz bei Manning Inc., den Aaron mir im Vorfeld besorgt hat, habe ich tatsächlich recht schnell eine Zusage erhalten. Laura meinte spöttisch, dass man mit dem Namen Manning in Seattle alles bekommt. Jeder sonnt sich gern im Licht der drei Brüder.

Die Uni beginnt schon am Montag, heute ist Donnerstag, und damit bin ich reichlich spät dran. Ursprünglich wollte ich schon vor zwei Wochen kommen, um mich besser an die Zeitverschiebung zu gewöhnen und den Campus kennenzulernen, aber mein Freund hat darauf bestanden, dass ich mit zum neunzigsten Geburtstag seiner Großmutter fahre.

Mein Masterstudium wird zwei Jahre dauern. In diesem Zeitraum werden wir uns kaum sehen. Ich kann noch gar nicht abschätzen, wie oft ich nach Deutschland fliegen oder Julius mich in Seattle besuchen kann. Er ist im achten Semester und hat noch ein reguläres Semester sowie Staatsexamen und Referendariat vor sich. Bis ich meinen Master beendet habe, ist Julius mit seinem Referendariat durch und wird sich für den Schuldienst bewerben. Genug Zeit, um zu schauen, was die Zukunft für uns bereithält. Er war nicht begeistert von meinen Plänen. Wir sind seit fast sieben Jahren zusammen. Das ist eine sehr lange Zeit. Darum wollte ich die Beziehung mit der räumlichen Trennung nicht beenden. Vielleicht tut es uns gut. Wir hängen nicht mehr jeden Tag aufeinander, lernen neue Leute kennen und wieder zu schätzen, was wir am jeweils anderen haben.

»Und dann wollen wir … Hörst du mir zu?«

Laura sieht mich fragend an, und ich schüttle mit dem Kopf.

»Nein«, gebe ich betreten zu. »Was hast du gesagt?«

»Ich habe gesagt, dass Aaron und Lou uns für heute Abend eingeladen haben«, erwidert sie. »Aber wenn du dich zu müde fühlst, sage ich ab und –«

»Nein, nein …« Ich schüttle mit dem Kopf. »Das passt schon. Ich habe im Flieger geschlafen.«

Das ist der Vorteil daran, wenn man von Deutschland in die USA fliegt. Man bekommt fast einen Tag gutgeschrieben.

»Dann sage ich Louisa Bescheid, dass wir kommen.« Fröhlich zieht Laura ihr iPhone hervor und schreibt ihrer Schwester. »Ich freue mich, dass du da bist. Jetzt ist es nicht mehr so langweilig hier. Seitdem Lou bei Aaron wohnt …«

»Sind wir so langweilig?«, fragt Onkel Andrew, und ich muss kichern. Er ist wirklich beleidigt, dass seine Tochter sich über eine jüngere Mitbewohnerin freut.

»Ach, Dad …« Laura winkt ab. »Ihr seid nicht langweilig, nur eben … na ja … ein älteres Semester.«

»Wie bitte«, ruft er und stemmt die Hände in die Hüften. »Älteres Semester? Wir haben gerade einmal die Fünfzig überschritten, und du nennst uns alt.«

»Ich meine doch nicht alt«, versucht Laura sich nun doch unter den drängenden Blicken ihres Vaters rauszureden. »›Alt‹ ist ein dehnbarer Begriff. Zum Beispiel meine Jeans … die … die ist zwei Jahre alt. Siehst du? Sie ist alt.«

Ich glaube, dass ich gerade in Momenten wie diesen meine Eltern vermisse. Zwar habe ich seit Jahren offiziell in München gewohnt, aber war so oft in Garmisch-Partenkirchen bei ihnen, dass mir die Distanz kaum aufgefallen ist. Neun Stunden Zeitverschiebung und achttausend Kilometer sind jedoch ein anderes Kaliber.

»Komm, Liebes.« Tante Judith greift nach meinem Arm. »Die diskutieren das noch eine Weile aus.« Lächelnd folge ich ihr in die Küche, wo es bereits nach Auflauf duftet. »Ich habe deiner Mutter versprochen, dass du bei uns immer genug auf dem Teller hast.«

»Daran habe ich keinen Zweifel«, murmle ich vor mich hin.

Meine Mom ist zwei Jahre jünger als Tante Judith. Sie haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, und ich weiß noch, dass meine Mom immer erzählt hat, wie traurig sie war, dass Tante Judith endgültig in die USA gezogen ist. Aber Andrew ist ihre große Liebe, und nun lebt sie fast ihr halbes Leben hier. Und gibt mir so die Chance, in den USA zu studieren. Denn seien wir mal ehrlich – trotz meines Stipendiums hätten meine Eltern die Kosten für die Unterkunft und meine Verpflegung nicht aufbringen können, ohne dass ich mich hätte verschulden müssen. Natürlich lebe ich hier nicht für lau. Meine Eltern zahlen Tante Judith und Onkel Andrew jeden Monat einen Betrag, den sie mir nicht nennen wollen, für meine Lebensunterhaltskosten. Ihnen war es wichtig, dass ich das Geld, das ich bei meinem Praktikum verdiene, für mich habe. Ich soll es sparen und damit so viel wie möglich von diesem Land und Kanada sehen. Vor allem Vancouver, das nicht weit von Seattle entfernt liegt, reizt mich.

»Wann beginnt dein Praktikum?«, fragt sie mich, während sie den Tisch deckt.

»Am Montag mit der Uni, aber Adam hat mich gebeten, morgen schon mal vorbeizukommen, um alles abzuklären.«

»Es wird dir sicherlich gut gefallen bei Manning Inc.. Weißt du denn, bei welcher der Firmen genau du unterkommst?«

Manning Inc. hat drei Firmen unter ihrem Dach. Einmal Manning Architektur, das Aaron Louisa geschenkt hat, dann die Stiftung der Brüder, die sich für benachteiligte Kinder in Washington und vor allem in Seattle einsetzt, und letztendlich noch Manning Sport Management, dessen CEO Adam ist. Es handelt sich um einen Multimillionen-Konzern, der vor allem Aaron und Adam immer reicher macht. Aiden hat meines Wissens nichts mit den Firmen am Hut.

Bei dem Gedanken an ihn schlägt mein Herz augenblicklich schneller. In den letzten neun Monaten habe ich es mir verboten, an ihn zu denken, und meine Ohren auf Durchzug gestellt, wenn Sebastian mit ihm telefoniert oder Louisa etwas von ihrem Schwager in spe erzählt hat. Niemand weiß, dass wir letzten Winter Sex miteinander hatten. Und das muss auch so bleiben. Es war ein furchtbarer Fehler und hätte niemals passieren dürfen. Wir haben zu viel Alkohol getrunken, gefeiert, und eins kam zum anderen. Das ist keine Entschuldigung für einen Seitensprung, aber etwas anderes kann ich zu meiner Verteidigung nicht vorbringen. Von dem wohligen Gefühl, das mir die Erinnerungen bis heute bescheren, mal abgesehen.

Am nächsten Morgen setzte das berühmt berüchtigte unangenehme Schweigen zwischen uns ein. Aiden hat mir zum Glück den Gefallen getan und mein Zimmer wortlos verlassen. Eine Stunde später bin ich nach München aufgebrochen und habe ihn nie wiedergesehen.

Der Sex mit Aiden war unglaublich. Der beste meines Lebens.

»Emilia?« Tante Judith schnipst vor meinem Gesicht umher. »Träumst du?«

»Nein«, sage ich peinlich berührt. »Entschuldige, ich … ich war in Gedanken. Ich arbeite bei Manning Sport Management. Es passt am besten zu meinem Studiengang, aber ich werde auch in die Aufgaben der Stiftung reinschnuppern.«

»Das klingt toll.« Begeistert sieht sie mich an. »Ich freue mich, dass du dank Aaron diese Chance bekommst.«

»Ich freue mich auch«, sage ich. »Das Studium beginnt am Montag.«

»Brauchst du ein Auto?«

»Nein«, lehne ich ihr Angebot ab. »Ich fahre mit der Straßenbahn und dem Bus.«

»Wir können dir auch ein Auto besorgen, oder du fragst Aaron.«

»Tante Judith.« Ich seufze. »Aaron hat mir das Praktikum besorgt, einen Business-Class-Flug bezahlt und ist überhaupt dafür verantwortlich, dass ich hier bin. Ich kann ihm nicht noch ein Auto abschwatzen.«

»Er hat zehn Autos«, meint sie lapidar und zuckt mit den Schultern. »Eins oder zwei fährt er dauerhaft … und Lou hat ihr eigenes. Was glaubst du, was sie mit den anderen sieben machen?«

»Die öffentlichen Verkehrsmittel sind total okay, und außerdem macht das das Studieren doch aus, oder?« Ich beharre auf meinem Standpunkt, dass ich kein Auto brauche.

»Ich weiß ja nicht.« Tante Judith zieht unschlüssig die Augenbrauen zusammen, wechselt dann aber das Thema. »Andrew, Laura, kommt zum Essen.«

* * *

»Es ist so schön, dich zu sehen.« Louisa fällt mir um den Hals und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Wie war dein Flug? Hat alles geklappt?«

Euphorisch sieht sie mich an, während sie mich ins Innere ihrer Penthouse-Wohnung über den Dächern Seattles zieht.

»Hey«, erwidere ich. »Ich freue mich auch, dich zu sehen. Mein Flug war superschön und völlig übertrieben, aber das muss ich dir nicht sagen, oder?« Ich ziehe vielsagend die Augenbrauen hoch, und Louisa seufzt.

»Ich hätte dich doch nicht in der Holzklasse fliegen lassen.« Fast schon empört schüttelt sie mit dem Kopf.

»Doch«, erwidere ich. »Genau das hättest du tun müssen. Weißt du, wie teuer das Ticket war?«

Louisa verdreht die Augen. »Ich sage Adam, dass er es dir von deinem ersten Gehaltscheck abzieht.«

Meine Cousine zieht es, wie zu erwarten, ins Lächerliche. Aber mir ist es wichtig, ihr zu sagen, dass das nicht nötig war. Ihr Freund hat schon so viel für mich getan, dass ich nicht noch einen Business-Class-Flug erwarten kann.

»Lou …« Ich seufze. »Das war nicht nötig.«

Aaron kommt auf uns zu und breitet seine Arme aus.

»Grüß Gott«, sagt er mehr schlecht als recht auf Deutsch, und ich muss laut lachen. Er zieht mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Bist du gut in Seattle angekommen?«

»Ja, danke«, erwidere ich. »Und der Flug war nicht nötig.«

»Sind eigentlich alle Frauen in eurer Familie so grundlegend gegen Luxus?«, fragt er etwas angefressen und verdreht die Augen. »Du arbeitest ab sofort für uns, und dann wirst du auch standesgemäß eingeflogen.«

»Ihr dreht euch auch alles so, wie ihr es braucht, oder?«, will ich wissen und ziehe die Augenbrauen hoch. »Muss so eine Manning-Angewohnheit sein.«

Aaron rafft meinen Wink mit dem Zaunpfahl zum Glück nicht und redet einfach weiter: »Immer.« Er zwinkert mir zu. »Ich freue mich wirklich, dass du hier bist und bald in unser Team einsteigst.«

»Hm«, meine ich und fühle mich geschmeichelt, das von ihm zu hören. »Ich bin doch nur die Praktikantin.«

»Wer weiß«, sinniert er. »Adam erkennt Potenzial, wenn es vor seiner Nase ist. Vielleicht bieten wir dir einen festen Job an.«

»Vielleicht mache ich erst mal mein Praktikum, ja?« Hitze steigt mir in die Wangen, dass sie zu viel von mir erwarten. »Und meinen Master.«

Aaron zuckt mit den Schultern und geht in die Küche. So viel Zukunftsmusik kann ich mir noch nicht anhören. Auch wenn es schön wäre, eine feste Stelle in Aussicht zu haben. Ich will nichts überstürzen und erst mal mein Praktikum und das Masterstudium zu Ende bringen. Außerdem muss ich entscheiden, ob ich in Seattle bleiben möchte oder zurück nach München gehe.

Ich sehe mich in der Wohnung um, nachdem ich meine Jacke ausgezogen habe, und staune nicht schlecht. Es ist das erste Mal, dass ich hier bin. Bisher kenne ich das Penthouse nur von Fotos oder Videotelefonaten mit Louisa.

»Ich führe dich rum«, bietet sie an, als könnte sie meine Gedanken lesen, und greift nach meiner Hand. »Laura, hilfst du Aaron?«

»Sicher«, sagt sie, und bevor ich dazu komme, zu protestieren, dass ich doch auch helfen kann, schleift Louisa mich mit sich.

Wir starten im großen Wohn-Esszimmer. Alles ist aus feinstem Marmor, und die riesige Glasfront zur Dachterrasse raus, von der aus man den Hafen von Seattle sehen kann, ist der Hammer. Genauso die Glasfront, die die Küche vom Essbereich abtrennt. Diese Wohnung ist ein Traum.

»Das ist unglaublich«, meine ich seufzend, und Louisa kichert. »Und das ist bloß das erste Zimmer.«

Ich nicke, und wir gehen weiter in das ›kleine Badezimmer‹, wie Louisa es nennt. In Wahrheit hat der Raum mindestens zwanzig Quadratmeter. Über die geschwungene Treppe gelangen wir ins Obergeschoss.

»Das wird ein Kinderzimmer«, erklärt Louisa und stößt eine Tür auf. Ich trete ein und betrachte den noch vollkommen kahlen Raum. »Wir haben die Wände absichtlich weiß gestrichen, sodass wir alle Möglichkeiten der Gestaltung haben.«

»Schön«, sage ich. »Übt ihr schon?«

Sie kichert. »Vielleicht …«

»Ich hätte nicht gedacht, dass es nun doch so schnell geht bei euch«, merke ich an, und wir verlassen den Raum wieder. Meine Cousine wirkt plötzlich in sich gekehrt, und ich beiße mir auf die Lippe. Vielleicht ist das Babythema doch nicht das beste. Louisa macht die Beziehung zu Aaron manchmal noch sehr zu schaffen, weil sie mit vielen Vorurteilen kämpfen muss. Eine schnelle Schwangerschaft würde die Meinung vieler, dass sie nur sein Geld und abgesichert sein will, unterstreichen. »Das ist kein Vorwurf und …«

»Das weiß ich«, sagt sie und lächelt mich an. »Wir haben aufgehört zu verhüten, mehr nicht. Wenn es klappt, klappt es, und wenn nicht, nicht. Wir legen es nicht darauf an und treiben es wie die Karnickel, damit ich schwanger werde.«

»Dass ihr es nicht darauf anlegt, glaube ich dir. Dass ihr es nicht wie die Karnickel treibt …« Ich hebe die Augenbrauen. »Das glaube ich dir nicht.«

»Wir haben echt nicht so viel Sex«, protestiert Louisa. »Das ist ein mieses Vorurteil, wenn man einen Sportler datet.«

Meine Gedanken wandern erneut zu Aiden und wie viel Sex er wohl hat. Wie viel Sex wir haben könnten? Ich presse die Lippen aufeinander, um nicht frustriert aufzustöhnen. Es kann doch nicht wahr sein, dass ich ausgerechnet jetzt an ihn denken muss. Es ist vollkommen egal, wie viel Sex er hat. Ich werde sowieso nie wieder welchen mit ihm haben.

»Kann Aaron nicht so oft?«, frage ich provokant, als wir den Flur entlang in das obere Hauptbadezimmer gehen. Hier befindet sich eine eingelassene riesige Badewanne mit Whirlpool-Funktionen sowie eine gigantische Regenwalddusche. Was für ein unnötiger Luxus. Aber genial! »Also?«, nehme ich unser Sex-Thema wieder auf. »Kann Aaron nicht so oft?«

»Emilia«, zischt sie und wird rot. »Wie kommst du auf so was?«

»Du hast doch selbst gesagt, dass ihr nicht so viel Sex habt.«

»Ich habe einen Vollzeitjob und führe eine Firma«, erklärt sie mir und lächelt mich stolz an. Louisa bedeutet es unwahrscheinlich viel, dass Aaron ihr diese berufliche Chance ermöglicht hat. »Und Aaron ist wieder im Training, kam erst vor wenigen Tagen aus San Diego nach Hause. Wir haben aktuell keine Zeit für Sex.«

»Wow«, meine ich verblüfft. »Und ich dachte, dass nur ich auf dem Trockenen sitze.«

»So trocken wie bei dir ist es bei mir zum Glück nicht.« Sie lacht hell und ausgelassen, als sie mich ausgerechnet ins Schlafzimmer führt. »Und das wird auch nicht besser für dich … München … Seattle … Ihr könntet Telefonsex versuchen, aber macht nicht so viel Spaß. Ich meine … beim ersten Mal ist es vielleicht noch heiß, aber danach …« Louisa schüttelt mit dem Kopf. »Das bringt es nicht.«

Die schwarzen Möbel dominieren den Raum, dazu die petrolfarbenen dicken Vorhänge. Die Einrichtung ist Erotik pur. »Dieser Raum ist der Hammer«, lobe ich sie und drehe mich einmal im Kreis, um alles zu sehen. »Wenn man hier nicht vögeln will, wo dann?«

»Auf allen anderen Armaturen in dieser Wohnung.« Ich verziehe den Mund bei dem Gedanken, dass ich gleich am Tisch sitzen muss, und Louisa lacht. »Jetzt hab dich nicht so«, entgegnet sie mit einem Stöhnen. »Du würdest es auch so machen.«

»Hm.« Ich lächle sie an. »Möglich.«

»Vermisst du ihn?«, fragt Louisa, und ihre Stimme klingt mitleidig. Als wüsste sie genau, was ich empfinde. Vermutlich hat sie das letztes Jahr mit Aaron wirklich durchgemacht, doch ich tue es nicht. Ich bin froh über die räumliche Trennung.

»Ehrlich gesagt«, murmle ich. »Keine Ahnung.«

Ich sehe sie an und weiß nicht, was ich antworten soll. Ich vermisse Julius nicht mal ansatzweise so sehr, wie ich sollte. »Es lief nicht mehr so gut bei uns«, gestehe ich ihr. »Wir hatten viel Streit um meine Zukunft. Er versteht nicht, dass das hier das Beste für mich ist. Er sieht nur sich und unser Leben in München.«

»Das tut mir leid«, sagt Louisa, und wir gehen den Flur entlang und wieder nach unten zu Aaron und Laura. »Seid ihr noch zusammen?«

»Ja«, erwidere ich. »Ich … ich beende doch keine siebenjährige Beziehung, weil wir aktuell ein Tief haben.«

»Natürlich nicht«, antwortet Louisa, aber wirkt nicht überzeugt.

Ich halte sie auf der Mitte der Treppe auf. »Oder … nicht?«

»Emilia.« Sie sucht meinen Blick. »Das ist allein deine Entscheidung, und ich finde es gut, dass du eurer Beziehung noch eine Chance gibst.«

»›Noch eine Chance gibst‹?«, echoe ich. »Das klingt, als hätte ich sie schon mal gegen die Wand gefahren.«

Was ich ehrlich gesagt auch getan habe, wovon aber niemand etwas weiß.

»Das sage ich doch nicht«, erwidert Louisa. »Ich meine damit, dass du die richtige Entscheidung triffst, wenn du auch über die Entfernung an eurer Beziehung festhältst. Selbst wenn es aktuell mal nicht so gut läuft. Die Situation ist für euch beide neu, nachdem ihr so lange zusammen gewesen seid und die letzten Jahre auch zusammen gewohnt habt. Nun bist du für ihn auf der anderen Seite der Welt.«

Ich lasse ihre Worte sacken und stimme ihr innerlich zu. Wir … oder vielmehr Julius muss sich nur an die Situation gewöhnen.

Louisa und ich gehen die letzten Stufen hinunter, als ein kläffender Golden-Retriever-Welpe auf uns zugerannt kommt. Er überschlägt sich fast, so schnell ist er, und im Maul hat er einen Schuh.

»Hey«, sage ich und knie mich zu ihm hinunter. »Wer bist du denn?« Ich habe sofort eine Schwäche für den kleinen Kerl. »Ich wusste gar nicht, dass ihr einen Welpen habt.«

Ich sehe zu Louisa auf, die einen Schritt hinter mir steht.

»Haben wir auch nicht«, antwortet sie und tätschelt seinen Kopf. »Der gehört …«

»Fumble.« Die Stimme lässt mich zusammenzucken, und mein Kopf ruckt nach oben. Mein Puls schnellt in die Höhe, und mein Herzschlag setzt einen Moment aus. »Komm sofort wieder … Lia?«

Aidens Blick trifft auf meinen, und er ist nicht minder entsetzt, mich zu sehen.

»Fumble ist Aidens Welpe«, führt Louisa ihren Satz zu Ende. »Das wollte ich sagen.«

3

AIDEN

Meine Welt steht still, als ich Emilia mit Fumble im Arm erkenne. Sie wiederzusehen, bringt mich komplett aus der Fassung. Als Aaron mich eingeladen hat, mit ihm, Louisa und Laura etwas zu trinken, hätte ich niemals damit gerechnet, dass ich sie heute schon treffe. Dass Emilia zu uns nach Seattle kommt, hat mich mehr gefreut, als es sollte. Immerhin kenne ich sie kaum, und wir hatten einmal Sex, den Emilia bereut. Ich hätte sie jeden weiteren Tag meiner Anwesenheit in Garmisch-Partenkirchen vögeln können, und auch in den letzten neun Monaten hätte ich in der Off-Season sicherlich nicht Nein gesagt, wenn es darum gegangen wäre, ihr nahe zu sein.

Mit ihren blauen Augen mustert sie mich. Sie ist weniger geschminkt als letztes Jahr, aber trotzdem wunderschön. Ihre langen roten Haare fallen in weichen Wellen über ihre Schultern. Seit neun geschlagenen Monaten habe ich sie nicht gesehen, nachdem ich am Morgen nach unserem One-Night-Stand ihr Zimmer verlassen habe, um die Sache nicht unangenehmer für sie zu machen, als sie sowieso schon war. Emilia hat ihren Freund betrogen, und das wusste sie. Vielleicht nicht, als wir gevögelt haben, aber am nächsten Morgen kam die Erkenntnis darüber, was sie getan hat.

Ich habe mich gegen Mittag wieder aus meinem Gästezimmer getraut und wollte nochmal mit ihr reden. Das mag für einen One-Night-Stand dumm klingen, aber Emilia ist Louisas Cousine und Aaron mein Bruder. Wir sind eine Familie. Ich habe mich zusätzlich in der Woche, in der wir bei ihnen in Garmisch-Partenkirchen waren, mit ihrem Bruder angefreundet. Sebastian ist ein super Typ, und wir hatten eine tolle Zeit. Bis heute stehen wir in regelmäßigem Kontakt.

Als ich nochmal mit Emilia sprechen wollte und ihr versichern, dass ich es auf jeden Fall für mich behalten werde, war sie fort. Ihre Mutter erklärte mir, dass sie völlig überstürzt nach München zurückgefahren sei. Ich wusste im ersten Moment gar nicht, was ich sagen sollte. Auf meine Frage hin, wann und ob sie nochmal wiederkommen wird, meinte Gloria nur, dass sie das nicht sagen könne. Mir war sofort klar, dass Emilia in München bleibt, um mir aus dem Weg zu gehen.

Wir haben uns nie wiedergesehen – bis heute!

Ihr langes rotes Haar fällt über ihre Schultern nach vorne und bedeckt Fumbles Gesicht, als sie sich erneut zu ihm hinunterbeugt. Mein kleiner Racker schnappt danach, und Emilia befreit sich

Impressum

Verlag: Zeilenfluss

Texte: Mrs Kristal
Cover: Art for your Book
Korrektorat: Sabrina Undank, Dr. Andreas Fischer
Satz: Zeilenfluss
Tag der Veröffentlichung: 31.01.2023
ISBN: 978-3-96714-269-3

Alle Rechte vorbehalten

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